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Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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haben Sie Ihre Meinung geändert?«
    »Das würden Sie nicht verstehen.«
    »Versuchen Sie es.«
    Er sah wieder ins Feuer. »Das war das letzte«, sagte er.
    »Wenn das Licht erlischt, sind wir wieder vollkommen im Dunkeln.«
    »Es muß andere Wege hier heraus geben.«
    »Die gibt es.«
    »Dann nehmen wir einen davon. Aber zuerst... zuerst... er-zählen Sie mir, warum Sie Ihre Meinung geändert haben.«
    Er ließ sich einen trägen Augenblick lang Zeit und dachte darüber nach, was oder ob er überhaupt antworten sollte.
    Dann sagte er: »Als ich anfing, nach der ›Kunst‹ zu suchen, drehten sich alle Hinweise um Kreuzwege. Nein, nicht alle.
    Aber viele. Ja, viele. Diejenigen, die ich verstand. Und daher habe ich nach einem Kreuzweg gesucht. Ich dachte, dort würde ich die Antwort finden. Dann zog mich Kissoon in seine Schleife, und ich dachte, da ist er, der letzte des Schwarms, in einer Hütte mitten im Nirgendwo, und überhaupt kein
    Kreuzweg. Und alles, was seither geschehen ist - in der Mission, im Grove... - nichts ist an einem Kreuzweg
    geschehen. Ich habe es buchstäblich genommen, wissen Sie.
    Ich war immer so buchstäblich. Körperlich. Tatsächlich.
    Fletcher dachte an Luft und Himmel, und ich an Macht und 682
    Knochen. Er machte Wesen aus den Träumen der Menschen, ich aus ihren Eingeweiden und ihrem Schweiß. Dachte immer das Offensichtliche. Und die ganze Zeit...« Seine Stimme klang plötzlich belegt und voller Emotionen, darunter auch Haß, gegen sich selbst gerichtet. »... ich habe die ganze Zeit nicht verstanden. Bis ich die ›Kunst‹ benützt habe und mir klar geworden ist, was die Kreuzwege sind...«
    »Was?«
    Er schob die nicht so schlimm verletzte Hand unter das Hemd und tastete darunter. Er hatte ein Medaillon an einer fei-nen Kette um den Hals. Er zog fest daran. Die Kette riß, und er warf Tesla das Symbol zu. Sie wußte, noch bevor sie es fing, was es sein würde. Sie hatte dieselbe Szene schon einmal mit Kissoon gespielt. Aber damals hatte sie noch nicht begreifen können, was sie jetzt begriff, als sie das Zeichen des Schwarms in der Hand hielt.
    »Die Kreuzwege«, sagte sie. »Das ist ihr Symbol.«
    »Ich weiß nicht mehr, was Symbole sind«, antwortete er.
    »Alles ist eins.«
    »Aber dieses hier steht für etwas«, sagte sie und studierte nochmals die Formen, die in die Arme des Kreuzes eingeritzt waren.
    »Es verstehen heißt es haben«, sagte Jaffe. »In dem Augenblick, wo man es versteht, ist es kein Symbol mehr.«
    »Dann... erklären Sie es mir, damit ich es verstehe«, sagte Tesla. »Denn ich betrachte es, und es ist immer noch ein Kreuz. Ich meine, es ist wunderschön, aber es bedeutet nicht viel. Da ist ein Mann in der Mitte, sieht aus, als wäre er gekreuzigt, aber es sind keine Nägel da. Und dann diese merkwürdigen Wesen.«
    »Hat es gar keinen Sinn?«
    »Vielleicht, wenn ich nicht so müde wäre.«
    »Raten Sie.«
    »Ich bin nicht in der Stimmung für Ratespiele.«
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    Das Gesicht von Jaffe nahm einen verschlagenen Ausdruck an. »Sie wollen, daß ich mit Ihnen komme - Ihnen helfe, das aufzuhalten, was über die Essenz kommt -, aber Sie haben keine Ahnung, was los ist. Wenn Sie die hätten, dann wüßten Sie nämlich, was Sie da in der Hand haben.«
    Ihr wurde klar, was er vorschlug, ehe er es ausgesprochen hatte.
    »Und wenn ich dahinterkomme, dann begleiten Sie mich?«
    »Ja. Vielleicht.«
    »Lassen Sie mir ein paar Minuten Zeit«, sagte sie und betrachtete das Symbol des Schwarms mit neuen Augen.
    »Ein paar?« sagte er. »Was sind ein paar? Vielleicht fünf.
    Sagen wir fünf. Mein Angebot gilt fünf Minuten lang.«
    Sie drehte das Medaillon in den Händen und war mit einem Mal unsicher.
    »Starren Sie mich nicht an«, sagte sie.
    »Ich starre gerne.«
    »Sie lenken mich ab.«
    »Sie müssen ja nicht hierbleiben«, antwortete er.
    Sie nahm ihn beim Wort, stand mit unsicheren Beinen auf und ging zum Riß zurück, durch den sie gekommen war.
    »Verlieren Sie es nicht«, sagte er beinahe ätzend. »Es ist das einzige, das ich habe.«
    Hotchkiss stand einen Meter hinter dem Zugang.
    »Mitgehört?« fragte sie ihn.
    Er nickte. Sie machte die Handfläche auf und ließ ihn das Medaillon ansehen. Die einzige Lichtquelle, das verendende Terata, war unzuverlässig, aber ihre Augen hatten sich inzwischen gut daran gewöhnt. Sie konnte den verwirrten Gesichtsausdruck von Hotchkiss sehen. Von dieser Quelle waren keine Offenbarungen zu erwarten.
    Sie nahm ihm das Medaillon aus

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