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Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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»Möchtest du auch etwas?«
    »Nee.«
    »Bist du sauer?«
    »Nee.«
    »Gut«, sagte Trudi. »Es ist nämlich zu heiß zum Streiten.«
    Die beiden Mädchen gingen in Marvin's Food and Drug und ließen Arleen und Joyce an der Straßenecke stehen.
    »Tut mir leid...«, sagte Joyce.
    »Was?«
    »Daß ich nach Randy gefragt habe. Ich dachte vielleicht, du... du weißt schon... daß es vielleicht etwas Ernstes ist.«
    »In Grove gibt es keinen, der zwei Cents wert wäre«, murmelte Arleen. »Ich kann es kaum erwarten, von hier
    wegzukommen.«
    »Wohin wirst du gehen? Los Angeles?«
    Arleen zog die Sonnenbrille auf der Nase herunter und sah Joyce an.
    »Warum sollte ich das tun?« sagte sie. »Ich bin nicht so dumm, daß ich mich dort in die Schlange stelle. Nein. Ich gehe nach New York. Dort zu studieren, ist besser. Und dann arbeite ich am Broadway. Wenn sie mich wollen, können sie mich holen.«
    »Wer?«
    »Joyce«, sagte Arleen mit gespielter Verzweiflung. »Hollywood.«
    »Oh. Klar. Hollywood.«
    Sie nickte bewundernd, weil Arleens Pläne so umfassend waren. Sie selbst hatte sich noch nichts annähernd so Zusammenhängendes ausgedacht. Aber Arleen hatte es auch nicht. Sie war eine kalifornische Schönheit, blond,
    wunderschön, und sie hatte ein Lächeln, welches das andere Geschlecht in die Knie zwang. Und als ob das noch nicht genügen würde, war ihre Mutter Schauspielerin gewesen und behandelte ihre Tochter bereits wie einen Star.
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    Joyce hatte diese Segnungen nicht. Keine Mutter, die ihr den Weg ebnete, keinen Ruhm, der sie über schlechte Zeiten hinwegbrachte. Sie konnte nicht einmal eine Cola trinken, ohne sofort einen Ausschlag zu bekommen. Empfindliche Haut, sagte Doktor Briskman immer wieder, das gibt sich mit der Zeit. Aber die versprochene Erlösung war wie das Ende der Welt, von dem der Reverend sonntags immer predigte; immer wieder hinausgeschoben. Bei meinem Glück, dachte Joyce, ist der Tag, an dem ich die Pickel verliere und Titten bekomme, genau dieser Tag. Ich werde makellos schön aufwachen, die Vorhänge zuziehen, und Grove wird nicht mehr da sein. Ich werde nie Randy Krentzman küssen.
    Und genau das war selbstverständlich der Grund, warum sie Arleen so eingehend befragt hatte. Joyce hatte nur noch Randy im Sinn, obwohl sie ihn nur dreimal gesehen und erst zweimal mit ihm gesprochen hatte. Beim ersten Mal war sie mit Arleen unterwegs gewesen, und er hatte kaum in Joyce' Richtung gesehen, als sie vorgestellt worden war, daher hatte sie nichts gesagt. Beim zweiten Mal hatte sie keine Konkurrenz
    dabeigehabt, aber ihr freundliches Hallo war lediglich mit einem beiläufigen »Wer bist du denn?« beantwortet worden.
    Sie war beharrlich gewesen, hatte ihn daran erinnert, hatte ihm sogar gesagt, wo sie wohnte. Beim dritten Zusammentreffen -
    »Hallo«, hatte sie wieder gesagt. »Kennen wir uns?« hatte er geantwortet - hatte sie schamlos ihre sämtlichen persönlichen Details aufgesagt; sie hatte ihn, in einem plötzlichen Anfall von Optimismus, sogar gefragt, ob er Mormone war. Das, hatte sie sich später überlegt, war ein taktischer Fehler gewesen. Beim nächsten Mal würde sie Arleens Methode anwenden und den Jungen behandeln, als könnte sie seine Gegenwart kaum ertragen; ihn nie ansehen, nur lächeln, wenn es unbedingt erforderlich war. Und wenn man im Begriff war zu gehen, ihm direkt in die Augen sehen und etwas vage Schmutziges
    schnurren. Das Gesetz unterschiedlicher Botschaften. Bei 75
    Arleen funktionierte es, warum nicht auch bei ihr? Und nachdem die große Schönheit nun öffentlich ihre Gleichgültigkeit gegenüber Joyce' Idol kundgetan hatte, sah sie einen Silberstreif der Hoffnung. Hätte Arleen aufrichtiges Interesse an Randys Zuneigung gehabt, wäre Joyce vielleicht direkt zu Reverend Meuse gegangen und hätte ihn gefragt, ob er den Weltuntergang nicht ein wenig beschleunigen konnte.
    Sie nahm die Sonnenbrille ab und blinzelte zum weißen, hei-
    ßen Himmel empor; sie fragte sich, ob der besagte Weltuntergang vielleicht schon unterwegs war. Es war ein seltsamer Tag.
    »Das solltest du nicht machen«, sagte Carolyn, die mit Trudi im Kielwasser aus Marvin's Food and Drug herauskam, »die Sonne wird dir die Augen verbrennen.«
    »Nein.«
    »Doch«, antwortete Carolyn, stets Überbringerin uner-
    wünschter Botschaften, »deine Netzhaut ist eine Linse. Wie bei einer Kamera. Sie stellt sich...«
    »Schon gut«, sagte Joyce und sah wieder auf den festen Boden. »Ich glaube dir.« Farben

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