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Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Catrina verlassen hatten, ihr neues Dasein und die damit verbundenen Kräfte nur
    bruchstückhaft verstanden. Sie lernten jedoch sehr rasch, diese neuen Kräfte zu erkennen und einzusetzen, da die
    Notwendigkeiten des Konflikts ihre Erfindungsgabe zu
    Höchstleistungen anspornten. Fletcher beschwor eine Armee aus dem Fantasieleben der gewöhnlichen Männer und Frauen, denen er begegnete, während er Jaffe quer durch Amerika verfolgte und ihm keine Zeit ließ, seine Gedanken zu
    konzentrieren und die ›Kunst‹ einzusetzen, zu der er nun Zugang hatte. Er taufte diese visionären Soldaten
    Halluzigenien, nach einer rätselhaften Rasse, deren fossile 68
    Überbleibsel von ihrer Existenz vor fünfhundertdreißig Millionen Jahren kündeten. Eine Gattung, die, wie die nun nach ihr benannten Fantasiegebilde, keinerlei Vorläufer hatte.
    Die Lebensspanne dieser Soldaten war kaum länger als die eines Schmetterlings. Sie verloren ihre Stofflichkeit rasch und wurden dunstig und vage. Doch so trügerisch sie waren, sie errangen manchen Teilsieg über den Jaff und seine Legionen, die Terata, Ur-Ängste, die Jaffe nun, weil es in seiner Macht stand, aus seinen Opfern herausholen und ihnen für eine gewisse Zeit Substanz verleihen konnte. Die Terata waren nicht weniger flüchtig als die gegen sie gebildeten Bataillone.
    Diesbezüglich, wie auch in vielem anderen, waren der Jaff und der gute Mensch Fletcher einander ebenbürtig.

    Der Krieg ging weiter, in Attacken und Gegenangriffen, in Ein-kesselungsmanövern und Sturmläufen, und die Absicht jeder Armee war es, den Führer der anderen niederzumetzeln. Die natürliche Welt reagierte nicht eben gütig auf diesen Krieg.
    Ängste und Fantasiegebilde sollten nicht stoffliche Gestalt annehmen. Ihre Arena war der Verstand. Jetzt waren sie solide, ihr Kampf tobte durch Arizona und Colorado, nach Kansas und Illinois, und die natürliche Ordnung der Welt wurde im Vorüberziehen in mehr als einer Hinsicht auf den Kopf gestellt.
    Saatgut keimte nicht, sondern zog es vor, in der Erde zu bleiben, anstatt die zarten Triebe zu riskieren, wenn Kreaturen, die allen Naturgesetzen trotzten, auf Erden wandelten.
    Zugvögelschwärme, die Gewittern auswichen, in denen es nicht geheuer war, kamen zu spät in ihre Winterquartiere oder verirrten sich völlig und starben. In jedem Staat konnte man Spuren von panischer Flucht erkennen, Folge der Panikreaktion von Tieren, die das Ausmaß des Konflikts, der rings um sie herum bis zur Vernichtung ausgetragen wurde, deutlich spürten. Hengste blickten auf Zäune und Felsen und weideten sich selbst aus, wenn sie Autos bestiegen. Hunde und Katzen 69
    wurden über Nacht wild und wegen dieses Verbrechens vergast oder erschossen. Fische in stillen Flüssen versuchten, an Land zu klettern, weil sie spürten, welche Ambitionen in der Luft lagen, und starben den Erstickungstod.
    Der Konflikt, der Angst und Schrecken vor sich und Verwü-
    stungen hinter sich hatte, kam in Wyoming zum Stillstand, wo sich die Armeen, die einander zu vollkommen ebenbürtig waren, bis zu einem Patt bekriegten. Es war das Ende vom Anfang, jedenfalls beinahe. Das schiere Ausmaß an Energie, das der gute Mensch Fletcher und der Jaff aufbieten mußten, um diese Armeen zu erschaffen und zu führen - keiner war ein Kriegsherr, wie weit man die Definition auch fassen mochte; sie waren lediglich Männer, die einander haßten -, forderte seinen schrecklichen Tribut. Beide waren fast bis zum völligen Zusammenbruch erschöpft, kämpften aber dennoch weiter, wie zwei Boxer, die fast zur Besinnungslosigkeit geprügelt worden waren, aber trotzdem immer weitermachten, weil sie keinen anderen Sport kannten. Keiner würde zufrieden sein, bevor der andere tot war.
    In der Nacht des 16. Juli zog sich der Jaff vom Schlachtfeld zurück und verstreute seine Armeen bei dem Ausfall nach Südwesten. Sein Ziel war Kalifornien. Er wußte, daß er den Krieg gegen Fletcher unter den gegenwärtigen Umständen nicht gewinnen konnte, und wollte Zugang zur dritten Phiole des Nuncio, weil dieser vielleicht seine schwindenden Kraftreserven neu aufbauen konnte.
    So mitgenommen, wie er war, nahm Fletcher doch die
    Verfolgung auf. Zwei Nächte später holte er den Jaff mit einem Ausbruch von Behendigkeit, der seinen Raul, den er
    außerordentlich vermißte, beeindruckt haben würde, in Utah ein.
    Dort standen sie einander in einer Konfrontation gegenüber, die ebenso brutal wie ausweglos war. Angetrieben von der

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