Jenseits des Bösen
- nein, zwei Mächte -, deren Atem die Blasen waren, die um sie herum emporstiegen, und deren Arme die Fesseln, die sie zum Sterben festhielten. Sie betrachtete wieder ihren Körper, der immer noch nach Luft schnappte. Ihre Beine strampelten irrwitzig im Wasser. Dazwischen ihre jungfräuliche Fotze. Sie empfand vorübergehend Trauer über Wonnen, die zu kosten sie nie den Mut aufgebracht und zu denen sie jetzt keine Gelegenheit mehr haben würde.
Verfluchte Närrin, daß sie Stolz höher als Empfindungen bewertet hatte. Eigendünkel kam ihr jetzt unsinnig vor. Sie hätte jeden Mann, der sie zweimal angesehen hatte, um den Akt bitten und erst aufgeben sollen, wenn einer ja gesagt hatte.
Das ganze System von Nerven, Öffnungen und Eiern, das unbenutzt sterben mußte. Diese Verschwendung war das einzige, das einer Tragödie gleichkam.
Sie sah wieder in die Dunkelheit der Spalte. Die beiden Mächte, die sie dort gespürt hatte, kamen immer noch näher.
Jetzt konnte sie sie sehen; vage Gestalten, gleich Flecken im Wasser. Eine war hell; jedenfalls heller als die andere. Aber eine andere Unterscheidung als diese konnte sie nicht treffen.
Gesichtszüge, so sie welche hatten, waren so verschwommen, daß man sie nicht erkennen konnte, und der Rest - Gliedmaßen und Leib - waren hinter Schwaden dunkler Blasen verborgen, die mit ihnen emporstiegen. Ihre Absicht freilich konnten sie 93
nicht verbergen. Diese begriff ihr Verstand nur allzu deutlich.
Sie kamen aus der Spalte, um sich das Fleisch zu holen, von dem ihr Denken mittlerweile barmherzigerweise getrennt war.
Sollten sie ihre Beute haben, dachte sie. Er war eine Last gewesen, dieser Körper, und sie war froh, daß sie ihn los war.
Die aufsteigenden Mächte hatten keinerlei Herrschaft über ihre Gedanken; und suchten auch keine. Ihr Begehren galt dem Fleisch, und beide wollten das vollständige Quartett. Weshalb sonst sollten sie miteinander ringen, verschlungene helle und dunkle Flecken, während sie emporstiegen, um sich die Körper zu holen?
Sie hatte sich zu früh frei gefühlt. Als die ersten Ausläufer der verschmolzenen Mächte ihren Fuß berührten, waren die kostbaren Augenblicke der Freiheit dahin. Sie wurde in ihren Schädel zurückgerufen, und die Tür ihres Kopfes schlug laut hinter ihr zu. Die echten Augen ersetzten das geistige Auge, Schmerzen und Panik die süße Gleichgültigkeit. Sie sah, wie die kriegführenden Geister sich um ihren Körper schlangen.
Sie war ein Splitter, der zwischen ihnen hin und her gezogen wurde, während sich beide bemühten, sie zu besitzen. Das Warum entzog sich ihrem Verständnis. Innerhalb von
Sekunden würde sie tot sein. Es war einerlei, welcher der beiden ihren Leichnam für sich beanspruchte, der Helle oder der Dunkle. Wenn sie ihr Geschlecht wollten - sie spürte selbst in den letzten Augenblicken ihr Wirken dort -, sollten sie nicht damit rechnen, daß ihre Lust erwidert wurde. Sie waren tot, alle vier.
Als die letzte Blase Atem aus ihrem Mund strömte, sah sie einen Sonnenstrahl. Konnte es sein, daß sie wieder hinauf stieg? Hatten sie eingesehen, daß ihr Körper für ihre Zwecke nichts taugte, und die Dicke freigegeben? Sie ergriff die Chance beim Schopf, so gering sie auch sein mochte, und stieß sich zur Oberfläche ab. Mit ihr zusammen stieg ein erneuter Schwall Luftblasen empor, der sie beinahe zur Luft
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hinaufzudrücken schien. Diese kam immer näher. Wenn es ihr gelang, nur noch einen Herzschlag lang bei Bewußtsein zu bleiben, würde sie vielleicht überleben.
Gott war ihr gnädig! Sie drang Kopf voraus durch die
Oberfläche. Spie Wasser aus und sog Luft ein. Ihre
Gliedmaßen waren gefühllos, aber eben die Mächte, die so bestrebt gewesen waren, sie nach unten zu ziehen, sorgten jetzt dafür, daß sie oben blieb. Nach drei oder vier Atemzügen wurde ihr bewußt, daß die anderen auch freigegeben worden waren. Sie würgten und plantschten um sie herum. Joyce schwamm bereits zum Ufer und zog Trudi mit sich. Arleen folgte ihnen. Der feste Boden war nur ein paar Meter entfernt.
Obwohl ihre Arme und Beine kaum funktionierten, legte Carolyn die Strecke zurück, bis alle vier stehen konnten. Mit von Schluchzen geschüttelten Körpern taumelten sie ans trockene Land. Und noch jetzt sahen sie hinter sich und hatten Angst, ihre Angreifer hätten beschlossen, ihnen ins Seichte zu folgen. Aber die Stelle in der Mitte des Sees war vollkommen ruhig.
Arleen wurde, noch ehe sie das Ufer erreichte, von
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