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Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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hinausgeschoben werden konnte. Sie warf die Arme über den Kopf und ließ sich untersinken. Doch der Zauber des Sees, so übermächtig er war, konnte die animalische Panik, die sie empfand, als das Wasser über ihrem Kopf zusammenschlug, nicht ganz unterdrücken. Ihr Körper begann ohne ihr Zutun, sich dem Pakt zu widersetzen, den sie mit dem Wasser
    geschlossen hatte. Sie strengte sich heftig an und strebte zur Oberfläche, als wollte sie sich in der Luft festhalten.
    Arleen und Trudi sahen Joyce beide untergehen. Arleen eilte ihr unverzüglich zu Hilfe und rief beim Schwimmen. Das Wasser um sie herum paßte sich ihrer Aufregung an. Auf allen Seiten stiegen Blasen empor. Sie spürte sie vorbeistreichen wie Hände, die ihren Bauch, die Brüste und die Scham streichelten.
    Unter dem Einfluß ihrer Liebkosungen ergriff dieselbe Verträumtheit, die Joyce überkommen und mittlerweile Trudis Panik gestillt hatte, von ihr Besitz. Aber sie hatte kein spezielles Objekt der Begierde, das sie in die Tiefe zog. Trudi beschwor das Bildnis von Randy Krentzman - von wem sonst?
    - herauf, aber Arleens Verführer war eine irre Verschmelzung berühmter Gesichter. Deans Wangenknochen, Sinatras Augen, Brandos höhnisches Grinsen. Diesem Flickwerk ergab sie sich ebenso wie Joyce und, ein paar Meter entfernt, Trudi. Sie riß die Arme hoch und ließ sich vom Wasser nehmen.
    Carolyn verfolgte in sicheren seichten Gewässern
    abgestoßen das Verhalten ihrer Freundinnen. Als sie Joyce untergehen gesehen hatte, war sie zu dem Schluß gekommen, daß dort etwas war, das sie in die Tiefe zog. Aber das Verhalten von Arleen und Trudi strafte das Lügen. Sie beobachtete, wie sie einfach aufgaben. Es war auch kein einfacher Selbstmord. Sie war Arleen so nahe gewesen, daß ihr der freudige Ausdruck des hübschen Gesichts, bevor es untersank, nicht entgangen war. Sie hatte sogar gelächelt!
    Gelächelt, und sich dann aufgegeben.
    91
    Die drei Mädchen waren Carolyns einzige Freundinnen auf der Welt. Sie konnte nicht tatenlos zusehen, wie sie ertranken.
    Obwohl das Wasser, wo sie untergegangen waren, mit jedem Augenblick heftiger schäumte, machte sie sich mit dem einzigen Schwimmstil, den sie beherrschte, zu der Stelle auf: einer linkischen Mischung aus Hundepaddeln und Kraul. Die Naturgesetze, das wußte sie, waren auf ihrer Seite. Fett schwamm oben. Aber das war kein Trost, als sie sah, wie der Boden unter ihren Füßen abfiel. Der Boden des Sees war verschwunden. Sie schwamm über einer Spalte, die die anderen Mädchen irgendwie anzog.
    Vor ihr kam ein Arm zur Oberfläche. Sie griff verzweifelt danach, erwischte ihn und packte zu. Aber als sie den Kontakt hergestellt hatte, brodelte das Wasser um sie herum mit neu entfachter Heftigkeit. Sie stieß einen Entsetzensschrei aus.
    Dann umklammerte die Hand, die sie ergriffen hatte, sie heftig und zog sie in die Tiefe.
    Die Welt erlosch wie eine ausgeblasene Kerzenflamme. Ihre Sinne verließen sie. Sie wußte nicht, ob sie noch jemandes Finger hielt, denn sie spürte sie nicht. Und sie konnte in der Düsternis auch nichts sehen, obwohl sie die Augen offen hatte.
    Sie war sich ganz am Rande bewußt, daß ihr Körper ertrank; daß sich ihre Lungen durch den offenen Mund mit Wasser füllten, daß der letzte Atem aus ihr wich. Aber ihre Seele hatte das Gehäuse verlassen und entfernte sich von dem Fleisch, dessen Geisel sie gewesen war. Sie sah dieses Fleisch jetzt: nicht mit ihren stofflichen Augen - die waren noch in ihrem Kopf und rollten wie wild -, sondern mit dem geistigen Auge.
    Eine fette Tonne, die beim Untergehen wogte und sich drehte.
    Sie empfand nichts angesichts ihres Dahinscheidens,
    abgesehen vielleicht von Ekel über die Wülste und die absurde Ungeschicklichkeit ihrer Panik. Im Wasser hinter ihrem Körper leisteten die anderen Mädchen noch Widerstand. Ihr Rudern war auch, so vermutete sie, rein instinktiv. Ihre Seelen waren, 92
    wie ihre eigene, wahrscheinlich aus den Körpern
    herausgeschwebt und betrachteten das Schauspiel mit
    derselben Gleichgültigkeit. Sicher, deren Körper waren attraktiver als ihrer, der Verlust daher möglicherweise schmerzhafter. Aber Widerstand war letztendlich
    verschwendete Anstrengung. Sie würden bald alle hier in der Mitte dieses sommerlichen Sees sterben. Warum?
    Noch während sie die Frage stellte, präsentierte ihr Sehen ohne Augen die Antwort. In der Dunkelheit unter ihrer schwebenden Seele war etwas. Sie konnte es nicht sehen, aber spüren. Eine Macht

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