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Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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erzählte, war weitschweifig und bizarr. Sie und drei Freundinnen waren in einem See in der Nähe von Palomo Grove schwimmen gegangen und von etwas angegriffen worden, das in sie alle eingedrungen war. Diese ungestüme Wesenheit hatte von Arleen und - wahrscheinlich - ihren Freundinnen verlangt, daß sie sich von einem beliebigen Mann schwängern ließen, der dafür zur Verfügung stand. Daher ihre Abenteuer im Slick. Der Teufel in ihrer Gebärmutter hatte lediglich in dieser üblen Gesellschaft nach einem Surrogatvater gesucht.
    Der Artikel wurde ohne eine Spur Ironie präsentiert; der Text von Arleens sogenannter Beichte war auch ohne
    editorische Aufarbeitung hinreichend bizarr. Nur die Blinden und Analphabeten im Grove wußten die Enthüllungen nicht zu deuten. Niemand glaubte, daß die Behauptungen auch nur ein Fünkchen Wahrheit enthielten, abgesehen von den Familien der Freundinnen, mit denen Arleen am Samstag, dem 28. Juli unterwegs gewesen war. Obwohl sie Joyce, Carolyn und Trudi nicht beim Namen nannte, wußte jeder, daß die vier dicke Freundinnen waren. Niemand, der Arleen auch nur flüchtig kannte, konnte Zweifel daran haben, wen sie mit in ihre satanischen Hirngespinste verwickelt hatte.
    Es wurde rasch offensichtlich, daß die Mädchen vor den Folgen von Arleens lächerlichen Behauptungen geschützt werden mußten. In den Haushalten der McGuires, Katz' und Hotchkiss'
    fand, abgesehen von einigen Ausschmückungen, dieselbe Unterhaltung statt.
    110
    Die Eltern fragten: »Möchtest du den Grove eine Weile verlassen, bis sich das Schlimmste gelegt hat?«
    Worauf das Kind antwortete: »Nein, mir geht es gut. Es ging mir noch nie besser.«
    »Bist du sicher, daß es dich nicht zu sehr mitnimmt,
    Liebes?«
    »Sehe ich mitgenommen aus?«
    »Nein.«
    »Dann bin ich es auch nicht.«
    So ausgeglichene Kinder, dachten die Eltern, daß sie angesichts der Tragödie des Wahnsinns einer guten Freundin so ruhig bleiben konnten; sind sie nicht eine Zierde für uns?
    Ein paar Wochen lang waren sie genau das: Mustertöchter, die sich den Belastungen ihrer Situation mustergültig gewachsen zeigten. Dann aber geriet das perfekte Bild ins Wanken, als Besonderheiten in ihren Verhaltensmustern deutlich wurden. Es waren schleichende Veränderungen, die vielleicht noch länger unbemerkt geblieben wären, hätten die Eltern nicht so fürsorglich über ihre Babys gewacht. Zuerst fiel den Eltern auf, daß ihre Nachkommen einen seltsamen
    Tagesablauf entwickelten; sie schliefen nachmittags und schritten um Mitternacht auf und ab. Veränderte
    Eßgewohnheiten wurden offensichtlich. Selbst Carolyn, die bekanntermaßen nie etwas Eßbares abgelehnt hatte,
    entwickelte eine beinahe pathologische Abneigung gegen bestimmte Speisen, speziell Meeresfrüchte. Die Ausgeglichenheit der Mädchen war dahin. Sie wurde von Launen ersetzt, die vom Einsilbigen zum Geschwätzigen und vom Eisigen zum Hingebungsvollen reichten. Betty Katz schlug als erste vor, daß ihre Tochter den Hausarzt aufsuchen sollte. Trudi erhob keinerlei Einwände. Sie schien auch nicht im geringsten überrascht zu sein, als ihr der Arzt bestätigte, daß sie bei bester Gesundheit war; und schwanger.
    Carolyns Eltern kamen als nächste zu dem Ergebnis, daß das 111
    geheimnisvolle Verhalten ihres Sprößlings eine medizinische Untersuchung erforderlich machte. Sie erhielten dieselben Neuigkeiten, mit dem Zusatz, wenn Carolyn die Absicht hätte, das Kind auszutragen, wäre es ratsam, wenn die künftige Mutter dreißig Pfund abnahm.
    Wenn noch Hoffnungen gehegt wurden, daß diese
    Diagnosen nicht auf einen bestimmten Zusammenhang
    hinausliefen, so wurden diese Hoffnungen durch den dritten und letzten Beweis zunichte gemacht. Joyce McGuires Eltern hatten sich die Mittäterschaft ihrer Tochter an diesem Skandal nicht eingestehen wollen, aber schließlich bestanden auch sie auf einer Untersuchung ihrer Tochter. Sie war, wie Carolyn und Trudi, bei bester Gesundheit. Und sie war schwanger.
    Diese Neuigkeiten verlangten nach einer Neubewertung von Arleen Farrells Aussage. War es möglich, daß sich hinter ihrem irren Stammeln ein Fünkchen Wahrheit verbarg?
    Die Eltern setzten sich zusammen und redeten miteinander.
    Gemeinsam erarbeiteten sie eine Theorie, die logisch klang.
    Die Mädchen hatten eindeutig eine Art Abmachung getroffen.
    Sie hatten - aus nur ihnen allein bekannten Gründen -
    beschlossen, schwanger zu werden. Dreien war es gelungen.
    Arleen nicht, und das hatte das

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