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Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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wurde zu Wut, seine Stimme wurde lauter, die Worte
    ausfälliger, bis er sie mit voller Lautstärke eine Hure nannte und überall am Crescent Vorhänge beiseite geschoben wurden.
    Schließlich war er vor Wut oder Verständnislosigkeit geblendet und schlug sie; und er hätte sie vielleicht ernsthaft verletzt, 107
    wäre Kate nicht eingeschritten. Arleen wartete nicht. Nachdem ihr tobender Vater in der Obhut ihrer Mutter war, lief sie weg und fuhr per Anhalter zum Strand hinunter.
    In dieser Nacht fand eine Razzia im Slick statt. Es gab einundzwanzig Festnahmen, hauptsächlich wegen
    unbedeutender Drogenverstöße, und die Bar wurde
    dichtgemacht. Als die Polizisten die Bar stürmten, fanden sie Lawrence Farrells Tochter bei derselben Schieb-und-stoß-
    Nummer, die sie seit einer Woche allnächtlich abzog. Das war eine Sensation, die nicht einmal Lawrence' plumpe
    Bestechungsversuche aus den Zeitungen heraushalten konnten.
    Sie wurde zur häufigsten Lektüre entlang der Küste. Arleen wurde zu einer medizinischen Untersuchung ins Krankenhaus gebracht. Man fand heraus, daß sie zwei durch Verkehr übertragene Infektionen und eine Geschlechtskrankheit hatte, dazu innere Verletzungen und Aufschürfungen, die ihr exzessiver Verkehr zwangsläufig mit sich bringen mußte. Aber sie war wenigstens nicht schwanger. Lawrence und Kathleen Farrell dankten dem Herrn für diese kleine Gunst.
    Die Enthüllungen über Arleens Ausflüge ins Slick führten überall in der Stadt zu verschärften elterlichen Kontrollen.
    Selbst in East Grove waren deutlich weniger Jugendliche nach Einbruch der Dunkelheit auf den Straßen zu sehen. Heimliche Romanzen wurden immer schwerer zu bewerkstelligen. Auch Trudi, die letzte der vier, mußte ihren Partner bald aufgeben, obwohl sie eine beinahe perfekte Tarnung für ihre Aktivitäten gefunden hatte: Religion. Sie hatte den Verstand besessen, einen gewissen Ralph Contreras zu verführen, einen Mischling, der als Gärtner für die lutheranische Kirche ›Prince of Peace‹
    in Laureltree arbeitete und so sehr stotterte, daß er nach praktischen Gesichtspunkten so gut wie stumm war. Ihr gefiel er so. Er führte aus, wozu sie ihn brauchte, und hielt den Mund.
    Alles in allem der perfekte Liebhaber. Nicht, daß ihr viel an seiner Technik lag, wenn er heroisch den Mann für sie spielte.
    108
    Er war lediglich Mittel zum Zweck. Wenn er seine Pflicht Genüge getan hatte - ihr Körper würde ihr sagen, wenn dieser Augenblick gekommen war -, würde sie keinen Gedanken
    mehr an ihn verschwenden. Sagte sie sich jedenfalls.
    Aufgrund von Arleens Indiskretion sollten aber sämtliche Affären - einschließlich der Trudis - rasch ans Licht der Öffentlichkeit kommen. Für sie wäre es wahrscheinlich einfach gewesen, ihre Beziehung zu Ralph dem Stummen zu
    vergessen, aber nicht so für Palomo Grove.

    2

    Die Zeitungsartikel über das skandalöse geheime Leben der Kleinstadtschönheit Arleen Farrell waren so offen, wie es die Rechtsabteilungen der Zeitungen zuließen, aber die
    Einzelheiten mußten der Gerüchteküche überlassen werden.
    Ein kleiner Schwarzmarkt mit angeblichen Fotos der Orgie erwies sich als lukrativ, obwohl die Bilder so unscharf waren, daß man unmöglich sagen konnte, ob sie das tatsächliche Ereignis zeigten. Auf die Familie selbst - Lawrence, Kate, Schwester Jocelyn und Bruder Craig - wurde ebenfalls ein grelleres Licht geworfen. Leute, die auf der anderen Seite des Grove wohnten, nahmen beim Einkaufen Umwege in Kauf, um durch den Crescent und an dem ruchlosen Haus
    vorbeizufahren. Craig mußte von der Schule genommen
    werden, weil seine Mitschüler ihn wegen seiner schmutzigen großen Schwester unbarmherzig hänselten; Kate steigerte ihren Konsum an Beruhigungsmitteln, bis sie jedes Wort mit mehr als zwei Silben nuschelte. Aber es sollte noch schlimmer kommen. Drei Tage nachdem Arleen in der Rockerkneipe
    aufgegriffen worden war, wurde im Chronicle ein Interview abgedruckt, das angeblich mit einer von Arleens Kranken-schwestern geführt worden war. Dort stand zu lesen, daß sich 109
    die Tochter der Farrells in einer sexuellen Tollheit befand, eine Obszönität nach der anderen aussprach und nur still war, um Tränen der Frustration zu weinen. Das an sich war schon hinreichend Stoff für Nachrichten. Aber, so stand in dem Interview weiter zu lesen, die Krankheit der Patientin ging weiter als eine überreizte Libido. Arleen Farrell glaubte, daß sie besessen war.
    Ihre Geschichte, die sie

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