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Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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gestattete seinen Lesern, sich ohne
    Schuldgefühle darin zu suhlen. Sie lasen Geschichten von den Folgen der Sünde. Was konnte christlicher sein?
    Für Grillo war der Witz schon längst nicht mehr komisch. Er hatte nicht nur einmal, sondern hundertmal daran gedacht, zu Abernethy zu sagen, daß er sich verpissen sollte, aber wo sollte er, ein zum Narren gemachter Star-Reporter, einen Job bekommen, wenn nicht bei einem kleinen Blatt wie dem Reporter! Er hatte schon daran gedacht, den Beruf zu wechseln, aber er hatte weder den Wunsch noch die Fähigkeiten, etwas anderes zu machen. Er hatte, soweit er sich zurückerinnern konnte, der Welt Nachrichten über sich selbst präsentieren wollen. Diese Funktion hatte etwas Essentielles. Er konnte sich nicht vorstellen, etwas anderes zu machen. Die Welt kannte sich selbst nicht besonders gut. Sie brauchte Menschen, die ihr die Geschichte ihres Lebens Tag für Tag erzählen, wie sollte sie sonst aus ihren Fehlern lernen? Er hatte einen solchen Fehler in die Schlagzeilen gebracht - Korruption im Senat -, als er herausfand (sein Magen drehte sich heute noch um, wenn er nur daran dachte), daß ihm die Gegner seines Opfers eine Falle gestellt und seine Position als Vertreter der Presse dazu benützt hatten, einen unschuldigen Namen in den Dreck zu ziehen. Er hatte sich entschuldigt, einen Bückling gemacht und um seine 179
    Entlassung gebeten. Die Angelegenheit war schnell vergessen worden, denn neue Schlagzeilen verdrängten die, die er selbst geschrieben hatte. Politiker würden, wie Skorpione und Küchenschaben, noch da sein, wenn Atombomben die
    Zivilisation in Schutt und Asche gelegt hatten. Aber
    Journalisten waren empfindlich. Ein Fehler, und ihre
    Glaubwürdigkeit war dahin. Er war nach Westen geflohen, bis zum Pazifik. Er hatte überlegt, ob er sich dort ertränken sollte, sich aber statt dessen dafür entschieden, für Abernethy zu arbeiten. Das war, wie sich immer mehr herausstellte, ein Fehler gewesen.
    Mach das Beste daraus, sagte er sich jeden Tag, von hier aus kann es nur noch aufwärts gehen.

    Der Grove überraschte ihn. Er wies sämtliche hervorstechende Merkmale einer auf dem Reißbrett entworfenen Stadt auf - das zentrale Einkaufszentrum, die an den Himmelsrichtungen orientierten Ortsteile, die Ordnung der Straßen -, aber der Stil der Häuser bot willkommene Abwechslung, und es herrschte allgemein das Gefühl vor, als hätte die Stadt geheime Gefilde - vielleicht deshalb, weil sie teilweise auf einem Hügel erbaut worden war.
    Wenn der Wald selbst Geheimnisse barg, so waren diese vom Ansturm der Schaulustigen niedergetrampelt worden, die die Exhumierung sehen wollten. Grillo zeigte seinen
    Presseausweis und stellte einem Polizisten an der Absperrung ein paar Fragen. Nein, es war unwahrscheinlich, daß der Leichnam demnächst geborgen werden würde; er mußte erst gefunden werden. Und Grillo konnte auch mit keinem
    Verantwortlichen des Unternehmens sprechen. Kommen Sie später wieder, wurde ihm vorgeschlagen. Das schien ein guter Rat zu sein. Es herrschte kaum Aktivität an der Spalte. Obwohl Seile verschiedener Art am Boden lagen, schien niemand Gebrauch davon zu machen. Er beschloß, das Risiko
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    einzugehen und den Schauplatz zu verlassen, um ein paar Anrufe zu erledigen. Er begab sich zum Einkaufszentrum und einer öffentlichen Telefonzelle. Als erstes rief er Abernethy an, meldete, daß er vor Ort eingetroffen war, und erkundigte sich, ob der Fotograf schon losgeschickt worden war. Abernethy war außer Haus. Grillo hinterließ eine Nachricht. Mit seinem zweiten Anruf hatte er mehr Glück. Der Anrufbeantworter begann mit seiner vertrauten Botschaft...
    »Hi. Sie sind mit Tesla und Butch verbunden. Wenn Sie den Hund sprechen wollen - ich bin nicht da. Wenn Sie Butch wollen...« Doch dann ging Tesla selbst an den Apparat.
    »Hallo.«
    »Ich bin's, Grillo.«
    »Grillo? Verdammt, sei still, Butch! Tut mir leid, Grillo, er versucht...« Der Hörer wurde weggelegt, dann folgte eine Menge Aufhebens, schließlich kam Tesla atemlos wieder ans Telefon. »Dieses Tier. Warum habe ich ihn nur genommen, Grillo?«
    »Er war der einzige Mann, der mit dir zusammenleben
    wollte.«
    »Blöder Hund.«
    »Deine Worte.«
    »Habe ich das gesagt?«
    »Du hast das gesagt.«
    »Hatte ich ganz vergessen! Ich habe Neuigkeiten, Grillo. Ich habe einen Vertrag für eines der Drehbücher. Der Film, den ich letztes Jahr geschrieben habe, der nicht realisiert wurde? Sie wollen, daß ich

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