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Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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ihn ansehen. Ohne die Ereignisse des
    vergangenen Abends wären ihm diese Gedanken vielleicht gar nicht gekommen. Das wundersame Wiedererkennen, als sie einander gestern abend in die Augen gesehen hatten, sein Gefühl, das er gehabt hatte - und noch hatte -, daß seine 173
    Begegnung mit Jo-Beth eine Wonne gewesen war, die
    irgendwo gewartet hatte - das alles brachte seinen Verstand dazu, Muster zu erschaffen, an die er sich vorher nie heran-gewagt haben würde, und diese Möglichkeit (ein Ort, von dem ein tiefer verborgenes Selbst das Wissen um Jo-Beth bezogen und um ihr kurz bevorstehendes Erscheinen gewußt hatte), wäre noch vierundzwanzig Stunden vorher völlig außerhalb seines Vermögens gewesen. Wieder eine Schleife. Die
    Geheimnisse ihres Zusammentreffens hatten ihn in Gefilde der Mutmaßungen geführt, welche von Liebe zu Physik zu
    Philosophie und wieder zurück zur Liebe geführt hatten, und zwar auf eine Weise, daß Kunst und Wissenschaft
    ununterscheidbar geworden waren.
    Und auch das geheimnisvolle Gefühl, während er hier vor dem Haus seiner Mutter stand, ließ sich nicht vom Geheimnis des Mädchens trennen. Haus, Mutter und Zusammentreffen waren eine einzige außergewöhnliche Geschichte. Und er selbst der gemeinsame Faktor.
    Er entschied sich dagegen, an die Tür zu klopfen -
    schließlich, wieviel konnte er von dem Haus noch erfahren? -
    und wollte gerade umkehren, als er einer Eingebung folgte und statt dessen weiter den Hügel hinauf bis zum Gipfel ging. Dort stellte er zu seinem Erstaunen fest, daß er eine Aussicht über ganz Palomo Grove hatte - nach Osten über das
    Einkaufszentrum, bis zum Stadtrand, der in dichten Wald überging. Jedenfalls ziemlich dichten; an manchen Stellen wies das Blattwerk Lücken auf, und in einer solchen Lücke schien sich eine ansehnliche Menschenmenge versammelt zu haben.
    Lampen waren kreisförmig aufgestellt worden, sie erhellten etwas, das er aufgrund der großen Entfernung nicht erkennen konnte. Drehten sie da unten einen Film? Er hatte den Vormittag so sehr in einer Art Trance verbracht, daß ihm auf dem Weg hierher überhaupt nichts aufgefallen war; er hätte auf der Straße an allen Stars vorbeigehen können, die einmal einen 174
    Oscar gewonnen hatten, und hätte es nicht einmal bemerkt.
    Während er beobachtend dastand, hörte er ein Flüstern. Er drehte sich um. Die Straße hinter ihm war verlassen. Nicht einmal hier, auf der Kuppe des Hügels seiner Mutter, wehte ein Wind, der das Geräusch zu ihm hätte tragen können. Und doch hörte er es erneut; ein Geräusch so dicht an seinem Ohr, daß es beinahe in seinem Kopf selbst zu sein schien. Die Stimme war leise. Sie sprach nur zwei Silben aus, die zu einem Kollier aus Lauten aufgereiht waren.
    - ardhowardhowardhow -
    Es erforderte keinen Kurs in Logik, dieses Ereignis mit den Vorkommnissen unten im Wald in Verbindung zu bringen.
    Aber er konnte nicht so tun, als verstünde er die Vorgänge, die rings um ihn herum am Werk waren.
    Der Grove gehorchte offenbar seinen eigenen Gesetzen, und er hatte von seinen Rätseln schon soviel profitiert, daß er künftigen Abenteuern nicht den Rücken kehren konnte. Wenn die Suche nach einem Steak ihn zur Liebe seines Lebens führen konnte, was konnte es ihm bringen, wenn er einem Flüstern folgte?
    Es war nicht schwer, zum Wald hinunterzugelangen.
    Während er den Weg zurücklegte, hatte er das merkwürdige Gefühl, daß die ganze Stadt dorthinführte; daß der Hügel eine schiefe Ebene war und alles, was sich darauf befand, jeden Moment in den Schlund der Erde hinabrutschen konnte. Dieser Eindruck wurde verstärkt, als er schließlich den Wald erreicht hatte und sich erkundigte, was los war. Niemand schien es ihm sagen zu wollen, bis ein Kind krähte:
    »Da ist ein Loch im Boden, und das hat ihn ganz
    verschluckt.«
    »Wen verschluckt?« wollte Howie wissen. Aber nicht der Junge antwortete, sondern die Frau, die bei ihm war.
    »Buddy Vance«, sagte sie. Nun war Howie nicht schlauer als vorher, und man schien ihm seine Unwissenheit anzusehen, 175
    denn die Frau hatte weitere Informationen parat. »Er war Fernsehstar«, sagte sie. »Komischer Bursche. Mein Mann mag ihn sehr.«
    »Haben sie ihn schon heraufgeholt?«
    »Noch nicht.«
    »Macht nix«, warf der Junge ein. »Der ist sowieso tot.«
    »Stimmt das?« fragte Howie.
    »Sicher«, antwortete die Frau.
    Plötzlich hatte die ganze Szene eine andere Perspektive.
    Diese Leute waren nicht hier, um zuzusehen, wie ein

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