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Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Mann dem Tod von der Schippe sprang. Sie wollten den Leichnam sehen, wenn er in den Krankenwagen geladen wurde. Sie wollten nur sagen können: Ich war dabei, als sie ihn
    heraufgeholt haben. Ich habe ihn unter dem Leichentuch gesehen. Ihr morbides Gebaren, noch dazu an so einem Tag voller Möglichkeiten, stieß ihn ab. Wer immer seinen Namen gerufen hatte, jetzt rief er ihn nicht mehr; und wenn, war die lauernde Präsenz der Menge stärker. Es hatte keinen Zweck, wenn er blieb, warteten doch Augen darauf, ihn zu sehen, und Lippen, ihn zu küssen. Er kehrte den Bäumen und demjenigen, der ihn gerufen hatte, den Rücken zu und ging wieder ins Motel zurück, um dort darauf zu warten, bis Jo-Beth kam.
    176
    IV

    Nur Abernethy redete Grillo mit Vornamen an. Für Saralyn war er, von dem Tag an, als sie sich kennengelernt, bis zu der Nacht, als sie sich getrennt hatten, immer Grillo gewesen; ebenso für alle Kollegen und Freunde. Für seine Feinde - und welcher Journalist, besonders ein in Ungnade gefallener, hatte nicht seine Feinde? - war er manchmal der Scheißkerl Grillo, oder Grillo, der Moralapostel, aber eben immer Grillo.
    Nur Abernethy sagte: »Nathan?«
    »Was wollen Sie?«
    Grillo war gerade unter der Dusche hervorgekommen, doch kaum hatte er Abernethys Stimme gehört, hätte er sich am liebsten gleich wieder abschrubben wollen.
    »Was machen Sie zu Hause?«
    »Ich arbeite«, log Grillo. Gestern nacht war es spät
    geworden. »Der Artikel über die Umweltverschmutzung,
    erinnern Sie sich?«
    »Vergessen Sie's. Es ist etwas passiert, und ich möchte, daß Sie hingehen. Buddy Vance - der Komiker - ist
    verschwunden.«
    »Wann?«
    »Heute morgen.«
    »Wo?«
    »Palomo Grove. Kennen Sie das?«
    »Nur dem Namen nach.«
    »Sie versuchen, ihn auszugraben. Es ist jetzt Mittag. Wann können Sie dort sein?«
    »Eine Stunde. Höchstens neunzig Minuten. Was ist denn daran so interessant?«
    »Sie sind zu jung. Sie erinnern sich nicht mehr an die Buddy Vance Show.«
    »Ich habe die Wiederholungen gesehen.«
    »Ich will Ihnen mal was sagen, Nathan, mein Junge...« Von 177
    allen Anwandlungen Abernethys haßte Grillo die altväterliche am meisten. »... hat die Buddy Vance Show die Bars leergefegt.
    Er war ein großer Mann und ein großer Amerikaner.«
    »Sie wollen also einen Tränendrüsendrücker?«
    »Nein, verdammt. Ich will Nachrichten über seine Frauen, den Alkohol, und warum er im Ventura County endete, wo er doch früher in einer drei verdammte Blocks langen Limousine durch Burbank kutschiert ist.«
    »Mit anderen Worten, den Dreck.«
    »Es waren Drogen im Spiel, Nathan«, sagte Abernethy.
    Grillo konnte sich den gespielt ernsten Gesichtsausdruck des Mannes vorstellen. »Unsere Leser müssen das wissen.«
    »Die wollen den Dreck, und Sie auch«, sagte Grillo.
    »Verklagen Sie mich«, sagte Abernethy. »Aber setzen Sie einfach Ihren Hintern in Bewegung.«
    »Und wir wissen nicht einmal, wo er ist? Angenommen, er ist einfach abgehauen?«
    »Oh, sie wissen, wo er ist«, sagte Abernethy. »Sie
    versuchen, den Leichnam in den nächsten paar Stunden
    heraufzuholen.«
    »Heraufzuholen? Sie meinen, er ist ertrunken?«
    »Ich meine, er ist in ein Loch gefallen.«
    Komiker, dachte Grillo. Machen einfach alles für einen Lacher.

    Aber es war nicht komisch. Als er zu Abernethys fröhlicher Truppe gestoßen war, nach dem Debakel in Boston, war das eine Erholung von dem sorgfältig recherchierten Journalismus gewesen, mit dem er sich einen Namen gemacht und der ihn schließlich zu Fall gebracht hatte. Die Vorstellung, für ein Skandalblatt mit kleiner Auflage wie den County Reporter zu arbeiten, schien eine Erleichterung zu sein. Abernethy war ein scheinheiliger Heuchler, ein wiedergeborener Christ, für den Vergebung ein unanständiges Wort war. Die Artikel, die er bei 178
    Grillo in Auftrag gab, waren mühelos zu recherchieren und noch müheloser zu schreiben, denn für die Leserschaft des Reporters sollten die Artikel nur einen einzigen Zweck erfüllen: Neid aus der Welt zu schaffen. Sie wollten
    Geschichten über Leid bei den großen Tieren; die Kehrseite des Ruhms. Abernethy kannte seine Gemeinde gut. Er brachte sogar seine Biographie ins Spiel und trat in seinen Editorials die Bekehrung vom Alkoholiker zum Fundamentalisten breit.
    Nüchtern und voll auf Gott abgefahren, so beschrieb er sich immer selbst. Diese heilige Sanktionierung ermöglichte ihm, den Dreck, den er herausgab, mit einem strahlenden Lächeln zu erdulden, und

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