Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
Katzenpfoten baumelten. Sie rührte sich nicht. Sich zu bewegen war sinnlos.
„Es hätte alles anders werden können.“
Ja, dachte Catty. Alles hätte anders sein können. Doch ihre Entscheidungen hatten sie bis hierher gebracht, und sie glaubte nicht, dass diese Entscheidungen vollständig falsch waren. Sie hatte Lucilla von Anfang an misstraut. Sie war vor der Spinne geflohen. Etwas anderes war gar nicht denkbar gewesen.
Sie hatte Freunde gefunden. Wenigstens für ein Weilchen war sie glücklich gewesen. Ein paar Tage nur. Es bedeutete unendlich viel.
„Jetzt musst du dich entscheiden, mein Liebster mit dem vergesslichen Herzen“, befahl Lucilla. „Willst du eine Romanze mit einem kleinen Mädchen, das du zum Gehorchen und vielleicht sogar dazu zwingen kannst, dich zu lieben, dich so sehr zu lieben, dass du es selber fühlst? Wenigstens für kurze Zeit ? Oder willst du lieber Teil eines weit größeren Unterfangens sein – mit mir, deren Liebe du zumindest mit deinem Verstand nicht bezweifeln solltest, auch wenn du das Herz nicht hast, blind auf sie zu vertrauen?“
„Ich habe mich entschieden.“
Natürlich. Sie liebte ihn nicht mehr, und er wusste es. Das Schloss in der Sommernacht war zum Alptraum geworden. Sie nahm ihn jetzt ganz anders wahr, und dieser Eindruck war irreversibel.
„Dann komm in die Mitte. Bereite dich und das Mädchen vor.“
Es dauerte weniger als einen Atemzug, und schon stand der Weißhaarige im Kreis, während die Frau seinen Platz außerhalb eingenommen hatte. Er kniete nieder, kauerte auf allen vieren, drückte Cattys kleinen Katzenkörper gegen den Teppich. Sie wand sich nutzlos in seinem Griff, kratzte nach der perfekten, schmalen Hand, die sie festhielt, erreichte sie nicht.
„Spielt ihr ein Gesellschaftsspiel, Liebling?“, fragte Cattys Vater, der plötzlich in den Raum trat, mit nichts bekleidet als seinem Nachthemd und einem Brokatmorgenmantel, den er sich um die Schultern gelegt hatte. Ein hohles, fast blödes Lächeln spielte um seine Lippen. Es spiegelte sich in den Augen wider, schien aber nicht mit seinem Bewusstsein verbunden zu sein.
Dies gehörte offenbar nicht zum Plan, denn beide Geschöpfe wandten sich ihm etwas irritiert zu.
„Was machst du denn hier, Liebling?“, fragte Lucilla gurrend und manövrierte ihn wieder in Richtung Tür.
„Was stimmt nicht mit ihnen?“, fragte Cattys Vater, als ihm die unnatürliche Reglosigkeit seiner Gäste auffiel. „Warum sind sie hier? Ich bin zu Bett gegangen. Ich wusste gar nicht …“ Er verstummte, rang um Worte und um Bedeutung.
Es schmerzte Catty zutiefst, ihn so wirr und verstört zu sehen. Sein sonst so klarer Intellekt war trüb geworden. Besiegt und leer erschien er ihr. Eine Marionette musste nicht selbständig denken können. Es war nicht seine Schuld, dass er sie vergessen hatte.
Sie schrie.
Er sah sie an, versuchte zu begreifen, was eine Katze inmitten dieser eigentümlichen Soiree zu suchen hatte. Er mochte keine Katzen. Sie schrie noch einmal, versuchte sich zu befreien, wurde von einer starken Hand noch tiefer gegen den Teppich gedrückt, jammerte und hätte gern „Vater! Hilf mir!“ gerufen.
Ein Rest Vernunft sagte ihr, dass dieser krank aussehende Mann ihr gar nicht würde helfen können und dass sie besser daran täte, ihm zu raten, schnell davonzulaufen. Aber als sein Kind erwartete sie doch immer noch, dass er sie beschützte. Vielleicht schrie sie auch nur seinetwillen. Er schien gar nicht zu verstehen, wie falsch dies alles war
Was hatten sie ihm nur angetan? Was war aus dem gesunden, aufrichtigen Mann geworden, dessen Verstand immer so scharf gewesen war, dass er jedwede Bedeutung in einzelne Aspekte zerteilen konnte, um sie dann als Beweise anzuordnen? Er tat ihr leid, und es schmerzte sie umso mehr, dass der Mann, den sie liebte und bewunderte, überhaupt ihres Mitleids bedurfte. Die Welt war grundfalsch, in der er nicht Meister seines Geschicks, seiner Gedanken und seines Hauses war.
Wieder streckte sie sich, versuchte, sich den Händen, die sie hielten, zu entziehen, zu ihrem Vater zu kommen. Sie wand sich, versteifte sich, zog sich in die Länge und stöhnte. Sie schrie und jaulte.
Sie verwandelte sich.
Diesmal war sie beinahe sicher, dass sie die Verwandlung selbst ausgelöst hatte. Sicher war es nicht der Spinnenlord gewesen. Wie sie es gemacht hatte, wusste sie allerdings nicht und wollte auch nicht darüber nachdenken.
Hände glitten von ihren Schultern und hielten
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