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Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman

Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman

Titel: Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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deinem Leben jemanden wie deine Mommy, weil du noch so klein bist. Eine Tante oder die Großmutter könnte so was wie eine Mommy für dich sein. Ich hab dich trotzdem sehr lieb. Wenn du unglücklich bist bei deinen Verwandten, dann nehme ich dich wieder mit, und du bleibst bei mir, für immer.«
    »Dann mag ich sie nicht. Ich will bei dir bleiben, Jono.«
    Wie sollte er einem kleinen Mädchen erklären, dass es offen sein sollte, dass Offenheit nur zu seinem Vorteil war? »Willst dumir etwas versprechen, Marlee?«, sagte er schließlich. »Versprich mir, dass du ihnen eine Chance gibst. Mehr will ich gar nicht.«
    Marlee nickte, aber überzeugt wirkte sie nicht. Jonathan wusste, das Letzte, was sie in ihrem Leben brauchte, war noch mehr Aufregung. Er würde dafür sorgen, dass es dazu nicht kam.
    Am nächsten Tag trafen sie noch vor der Mittagszeit in Alice Springs ein. Gleich machten sie sich auf die Suche nach einer Unterkunft. Dass dies nicht so leicht war, hatte Jonathan nicht erwartet. Er war schon kurz davor aufzugeben, doch die Begeisterung, wieder in einer größeren Stadt mit den verschiedensten Geschäften zu sein, hielt ihn davon ab. Besonders freute er sich, als sie an einem Friseurladen vorbeikamen. Er brauchte dringend einen Haarschnitt und eine Rasur. Vielleicht war ja sein ungepflegtes Äußeres der Grund für seine Probleme, eine Unterkunft zu finden. Jonathan kaufte Marlee ein Eis, und sie setzte sich draußen vor dem Friseurladen auf eine Bank, während er sich die Haare schneiden und sich rasieren ließ.
    »Ich bin einigermaßen überrascht, dass es in einer Stadt wie Alice Springs so viele Besucher gibt«, sagte er zu dem Friseur.
    »Besucher, hier?« Der Friseur war verwirrt.
    »Egal, wo ich gefragt habe, in keinem Hotel, in keiner Pension sind noch Zimmer frei«, erklärte Jonathan.
    Der Friseur warf ihm einen belustigten Blick zu.
    »Stimmt was nicht?«, fragte Jonathan.
    »Nein, nein«, meinte der Friseur und konzentrierte sich aufs Haareschneiden.
    »Sag ihm schon die Wahrheit, Frank«, meinte ein Kunde, der gleich nach Jonathan hereingekommen war.
    »Was für eine Wahrheit?«, wollte Jonathan wissen.
    »Gehört die Kleine da draußen zu Ihnen?« Der Kunde legte seine Zeitung beiseite.
    »Ja, sie gehört zu mir«, antwortete Jonathan.
    »Sie ist der Grund dafür, dass Sie keine Unterkunft finden.«
    »Das Kind!«, rief Jonathan ungläubig.
    »Ein weißes Kind wäre kein Problem, aber ein Abo-Kind ist nicht gern gesehen hier. Keiner wird einem Mann ein Zimmer vermieten, der mit einem Abo-Kind oder einer Abo-Frau kommt.«
    »Warum denn nicht?«
    »Manche von den Abos hier in der Gegend machen Ärger«, antwortete der Mann.
    »Die meisten«, fügte Frank, der Friseur, zynisch hinzu. »Wie oft sind mir schon die Fenster von jungen Schwarzen eingeworfen worden, die nichts Besseres zu tun hatten!«
    »Jeder, der Sie und das Kind ins Haus nimmt, müsste mit Konsequenzen rechnen«, sagte der Kunde.
    Jonathan war verstört. Zum Glück hatten sie den Wagen, in dem sie schlafen konnten. »Gibt es hier auch Campingplätze?«, fragte er.
    »Ja, aber an Ihrer Stelle würde ich da nicht hingehen. Wenn die Schwarzen Sie mit einem Abo-Kind sehen, bekommen Sie mit denen Ärger.«
    Als der Friseur mit seiner Arbeit fertig war, zahlte Jonathan, bedankte sich für die Ratschläge und machte sich mit Marlee Hand in Hand auf den Weg. Während sie durch die Stadt spazierten, achtete er genauer auf die Reaktionen der Leute, an denen sie vorbeikamen. Viele weiße Stadtbewohner starrten ihn an, manche machten sogar abfällige Bemerkungen. Die Aborigine-Bevölkerung war recht zahlreich, auch die Schwarzen sahen ihn herausfordernd an – als wollten sie ihn zur Rede stellen, weil er ein Aborigine-Kind bei sich hatte. Jonathan versuchte, ihnen aus dem Weg zu gehen. Ihm wurde nach kurzer Zeit schon bewusst, dass die Weißen und die Schwarzen von Alice Springs nicht in harmonischem Miteinander lebten.
    Am späten Nachmittag hatte Jonathan alle Möglichkeiten, eine Unterkunft zu finden, ausgeschöpft. Er hatte sogar in den Randbezirken der Stadt Leute angesprochen, die privat Zimmer vermieteten. Die Reaktion war immer dieselbe. Eine Lady, die vorn amHaus ein Schild mit der Aufschrift ZIMMER ZU VERMIETEN angebracht hatte, fragte er schließlich, ob sie nur deshalb kein Zimmer frei habe, weil er in Begleitung eines schwarzen Kindes sei. Sie schlug ihm die Tür vor der Nase zu. Das bedeutete, sie müssten wieder im Wagen

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