Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman
derweil aufmerksam und berührte ihr Kleid und ihren Hut.
»Yuka glauben, Sie haben Kind in Nacht gestohlen«, sagte der ältere Aborigine. »Er sagen, Sie jetzt gehen und er nehmen Kind mit.«
»Nein, ich gehe auf keinen Fall, und ich werde ihm Marlee nicht allein mitgeben. Sagen Sie diesem Mann, dass ich ihm bis zu seinen Leuten folgen werde und dann eine Weile dortbleibe.«
Der ältere Aborigine sah Jonathan stirnrunzelnd an, als ob er seine Motive ergründen wollte. Dann sagte er etwas zu Yuka, der Jonathan ebenfalls ungläubig anstarrte. Eine ganze Weile sprach niemand, und Jonathan begann sich zu fürchten vor dem, was geschehen könnte. Er legte den Arm um Marlees Schultern und beobachtete die beiden Männer. Schließlich redete Yuka.
Der ältere Aborigine übersetzte für Jonathan. »Yuka sagen, Älteste entscheiden, ob Sie bei Clan bleiben oder nicht.«
Jonathan erschrak. Er durfte das Versprechen, das er Marlee gegeben hatte, nicht brechen. Er musste bei ihr bleiben, auch wenn die Clanältesten etwas dagegen hatten.
»Du lässt mich doch nicht allein, oder, Jono?«, fragte Marlee.
Jonathan wusste, dass sie verstanden hatte, was gesprochen worden war. »Nein, natürlich nicht«, versicherte er ihr. Er sah den älteren Mann an. »Gehören Sie zum Anangu-Clan?«
Der Aborigine schüttelte den Kopf und sagte etwas zu der Frau. Dann machten sie sich ohne ein weiteres Wort wieder auf den Weg.
Jonathan und Marlee folgten Yuka schweigend etwa eine weitere halbe Stunde. Jonathan, der Marlee wieder trug, bemühte sich, Schritt zu halten. Plötzlich blieb Yuka am Rand des ausgetrockneten Flussbettes unter einem Baum stehen, kniete sich hin und begann zu graben.
»Was macht er da?«, fragte Jonathan atemlos, als er Marlee in den Schatten setzte.
»Er sucht nach Wasser«, erklärte sie ihm.
»Aber das Flussbett ist doch ausgetrocknet, und es sieht aus, als wäre das schon eine ganze Weile so.« Es schien einfach unmöglich, dass es hier Wasser geben sollte.
»Er findet Wasser da«, sagte Marlee ohne den geringsten Zweifel.
Jonathan war beeindruckt, wie zuversichtlich sie war. Dann fiel ihm wieder ein, dass sie ihm einmal gezeigt hatte, wie man unter der Erdoberfläche Wasser fand. Im nächsten Moment wurde ihre Zuversicht belohnt – Wasser sammelte sich in der kleinen Kuhle, die Yuka gegraben hatte. Er trank von dem Wasser, indem er seine großen Hände aneinanderlegte und damit schöpfte. Als sein Durst gestillt war, trat er zurück und gab Marlee mit Zeichen zu verstehen, dass sie auch trinken sollte.
»Trink du auch, Jono«, rief Marlee, nachdem sie sich mit dem Handrücken das Wasser vom Kinn gewischt hatte.
Jonathan fühlte sich wie ausgedörrt. Seine Lippen waren rissig, seine Zunge kam ihm vor wie ein trockener Schwamm. Die Sonne stand hoch am Himmel und brannte gnadenlos auf sie nieder, er hatte alle Flüssigkeit ausgeschwitzt. Vorsichtig kniete er sich hin, immer mit einem wachsamen Auge auf Yuka, dem er nicht traute. Er schöpfte Wasser mit den Händen und probierte es. »Ihhh«, jammerte er. »Das schmeckt ja furchtbar.«
»Wenn du es in ein Gefäß schüttest, sinkt der Schmutz auf den Boden, und das Wasser ist besser«, sagte sie.
Jonathan wusste, dass Gedda genau dasselbe gemacht hatte, wenn der Wasservorrat in Coober Pedy zur Neige ging. Es verblüffte ihn trotzdem, wie klug Marlee für ihr Alter war. Er wusste auch, dass ihm gar nichts anderes übrig blieb, als zu trinken,schließlich wusste er ja nicht, wann er wieder Wasser bekommen würde. Man trocknete sehr schnell aus in der Hitze.
Jonathan schöpfte mehr Wasser und trank und achtete nicht auf den Geschmack. Wenigstens war es kühl. Je mehr er trank, desto mehr wollte er. Als er schließlich aufstand und sich umdrehte, war Yuka fort. Verwirrt sah er sich um.
»Wo ist er hin?«, fragte er Marlee. Er kam sich angreifbar vor, nun, da Yuka nicht mehr in Sichtweite war.
Sie deutete weiter das Ufer hinauf, wo einige Bäume standen. Jonathan schloss, dass Yuka sich hinter den Bäumen erleichterte. Er war sicher, der junge Mann würde sie nicht verlassen. Also setzte er sich mit Marlee in den Schatten, lehnte den schmerzenden Rücken an die Uferböschung und seufzte. Es tat so gut, ausruhen zu können. Seine Füße brannten und waren aufgescheuert, und der Rücken tat ihm weh. Jonathan wunderte sich, warum Yuka so lange wegblieb. Ob er sich auf die Suche machen sollte?
Auf einmal sprang der Aborigine von der Uferböschung neben ihm
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