Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman
ins ausgetrocknete Flussbett. Jonathan stand schnell auf. Zu seinem Entsetzen sah er, dass Yuka ein kleines, totes Känguru über der Schulter trug, sein Messer war blutbefleckt.
Jonathan half Marlee auf. Da erst merkte er, dass das Blut des toten Tieres an Yukas Armen hinunterlief und auf die Erde tropfte. Im Nu zog es Scharen von Fliegen an. Der Anblick, der Blutgeruch, die Fliegen und die Hitze überwältigten Jonathan plötzlich, und zum ersten Mal in seinem Leben wurde ihm schwarz vor Augen. Aus Angst, er könnte in Ohnmacht fallen, holte er tief Luft. Yuka beachtete ihn nicht. Er machte sich einfach wieder auf den Weg.
Es war schon später Nachmittag, als sie endlich auf den Clan stießen. Jonathan wäre beinahe zusammengebrochen, so erschöpft war er. Ihm fiel auf, dass die Gruppe größer geworden war, weitere Frauen und Älteste hatten sich zu ihr gesellt. Marlees Großmutter begann sofort zu jammern, als sie ihre Enkelin sah. Ihre Tante kam heran, um mit ihr zu sprechen. Es schien, als verstünde Marlee ein wenig von dem, was sie sagte, denn sie nickte.
Yuka sprach mit den Ältesten und deutete auf Jonathan. Einer der Männer kam auf ihn zu.
»Sie wollen bleiben hier?«, fragte er.
»Ich bin so froh, dass Sie Englisch sprechen«, erwiderte Jonathan müde.
»Ich sprechen bisschen«, sagte er.
»Ja, ich würde gern bleiben, eine Weile wenigstens«, bestätigte Jonathan.
»Sie können«, sagte der Älteste.
»Danke«, erwiderte Jonathan erleichtert.
Einige andere Clanmitglieder warfen ihm finstere Blicke zu. Offenbar waren sie nicht einverstanden, aber keiner widersprach dem Ältesten.
»Vielleicht Mädchen laufen nicht weg, wenn Sie bleiben«, sagte der Älteste.
»Nein, sie läuft nicht weg«, versprach Jonathan mit gequältem Lächeln.
»Großmutter Name Alba«, sagte der Aborigine. »Tante Name Carina.«
Dankbar nahm Jonathan das zur Kenntnis. Er bemerkte, dass die ältere von Marlees Cousinen eines ihrer Kleider trug. Marlee schaute das Mädchen unglücklich an. Aber sie sagte nichts.
Das Känguru wurde dankbar entgegengenommen und in die glühenden Kohlen des Lagerfeuers geworfen, ohne gehäutet oder ausgeweidet zu werden. Der Geruch nach versengtem Fell erfüllte bald die Luft. Jonathan glaubte, sich übergeben zu müssen. Allmählich drehte sich alles um ihn herum, und er musste sich unter einen Baum in der Nähe legen. Marlee setzte sich zu ihm.
»Ich will nach Hause«, jammerte sie in einem Tonfall, der Jonathan beinahe das Herz brach. Verzweifelt klammerte sie sich an ihren Teddy. »Ich will zu Erin und Onkel Cornelius.«
»Ich weiß«, antwortete er und legte ihr den Arm um die Schultern. Ihm war klar, dass das Leben mit ihrer Familie anders sein würde, doch er musste sich davon überzeugen, dass sie sich hier eingewöhnen könnte. Diese Chance wollte er ihr geben.
Nach einer Weile kamen Marlees Cousinen mit ihrer Tasche auf sie zu. Verblüfft sah Jonathan, wie Marlee ihnen ihre Tasche aus den Händen riss. Die kleinere der beiden begann zu quengeln. Als Marlee die Tasche nicht zurückgeben wollte, versuchte sie, ihr den Teddybären wegzunehmen. Marlee umklammerte ihre Habseligkeiten, und jetzt fing die Kleine an zu schreien. Jonathan hatte keine Ahnung, was er tun sollte, zumal die Clanmitglieder ihn anstarrten, als hätte er dem kleinen Mädchen etwas Furchtbares angetan. Das Gejammer rief Carina herbei. Sie sprach mit dem kleinen Mädchen in ihrer Stammessprache, aber Jonathan verstand dennoch, dass sie wissen wollte, was vorgefallen war. Als die Kleine es ihr unter Tränen erzählte, nahm Carina Marlee die Tasche aus der Hand, holte eines ihrer Kleider heraus und gab es dem kleinen Mädchen. Dann gab sie Marlee die Tasche zurück und zog die Kleine an der Hand mit sich fort.
Marlee drehte sich verwirrt zu Jonathan um. »Das war mein Kleid, Jono«, sagte sie gekränkt und unter Tränen. »Das hat Erin für mich gekauft.«
»Ich weiß«, antwortete Jonathan, der mit ihr fühlte. »Aber vielleicht hat deine Cousine ja keine hübschen Kleider.« Sicher hatte Carina ihre Vorgehensweise für fair gehalten. Er wusste, dass die Mitglieder der meisten Clans alles untereinander teilten. »Weißt du, wie deine Cousinen heißen?«, fragte er. Marlee tat ihm so leid, und wieder hatte er ein schlechtes Gewissen, weil er sie in diese Lage gebracht hatte.
Marlee zeigte auf die, die um die Tasche mit den Kleidern weinte. »Sie ist Kala, und die andere ist Jiba.«
Als es dunkel wurde,
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