Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman
ich, wie Dad sich mit Albert im Dorchester verabredete. Ich konnte mein Glück kaum fassen. Ich dachte doch, Dad würde Lauren mit einem anderen Mann in flagranti erwischen, also bin ich auch hin, hielt mich aber versteckt. Als Lauren das Hotel betrat, ging sie hinauf in eines der Zimmer, und zwar mit einem kleinen Päckchen, in dem etwas war, das sie unterwegs in einem Dessousladen gekauft hatte. Als sie wieder herunterkam, hatte sie das Päckchen nicht mehr bei sich.«
»Merkwürdig«, meinte Erin und ging im Geiste die verschiedenen Möglichkeiten durch. Konnte in dem Päckchen ein erotisches Nachthemd gewesen sein oder knappe Dessous? Bei Lauren war alles möglich.
»Sie wartete in der Cocktailbar auf ihren ›Bekannten‹, als Dad sie entdeckte. Natürlich war sie geschockt, als sie ihn sah, dochsie muss sich irgendwie rausgeredet haben. Dann tauchte Luke Stanford auf. Von der Lobby her konnte ich nicht verstehen, was geredet wurde, ich nehme allerdings an, dass Dad Luke einlud, mit ihm, Albert und Lauren zu essen. Lauren hatte also Glück gehabt.«
»Und es ist kein anderer Mann aufgetaucht?«
»Nein«, antwortete Bradley.
»Lauren trifft sich also mit Luke.« Angewidert schüttelte Erin den Kopf. »Die hat wirklich mehrere Leben wie eine Katze. Aber früher oder später, mit unserer Hilfe, wird sie einen bösen Fehler machen«, erklärte sie.
Erin fühlte sich nicht wie erwartet, als sie vor der Forsyth-Galerie in Knightsbridge vorfuhren. Sie hatte immer so an der Galerie gehangen, jetzt spürte sie zum ersten Mal eine gewisse Distanz. Sie führte das auf die lange Reise zurück und auf das, was sie in Australien erlebt hatte. Sie hatte sich verändert.
»Ich warne dich noch einmal, Erin. Die Galerie ist nicht mehr, was sie einmal war.«
»Ich glaube, ich bin seelisch darauf vorbereitet, Bradley«, erwiderte Erin, als sie aus dem Van stieg und schnell unter die Markise über dem Eingang sprang. Inzwischen schüttete es wie aus Eimern, und sie wollte nicht völlig vom Regen durchnässt werden.
Gareth saß an seinem Schreibtisch, als sie hereinkamen. Er wirkte abgelenkt, ganz woanders mit seinen Gedanken, und eine Weile schien es, als habe er gar nicht bemerkt, dass jemand die Galerie betreten hatte.
Erin hatte mit dem Schlimmsten gerechnet, nun war sie dennoch entsetzt. In den vergangenen Wochen schien er um zehn Jahre gealtert. Sogar sein Haar war grauer geworden. Außerdem ließ sich nicht übersehen, dass an den Wänden kaum ein Bild hing.
»Hallo, Dad«, sagte sie. Ob die Sorge um sie die Anspannung noch erhöht hatte, unter der ihr Vater litt?
Langsam wandte Gareth den Kopf, und ganz kurz machte er den Eindruck, als sähe er einen Geist. Erin wusste, sie sah ihrerMutter auf geradezu unheimliche Weise ähnlich, also überraschte sie Gareth’ Reaktion nicht. Sie hatte Mitleid mit ihm. Zum ersten Mal verstand sie, wie einsam und verloren er ohne ihre Mutter gewesen war.
»Erin«, flüsterte Gareth heiser. »Du bist wieder da, mein kleiner Liebling.« Er stand auf, kam auf sie zu und schloss sie in seine Arme.
Als Erin ihn an sich drückte, spürte sie entsetzt, wie viel er abgenommen hatte. Er wirkte ganz schwach. »Wie geht es dir, Dad?«, fragte sie, mit den Tränen kämpfend.
»Mir geht es gut«, antwortete Gareth tapfer, doch seine Augen erzählten ihr etwas anderes.
»Du hast abgenommen, Dad.«
»Ach ja?«
»Ja«, sagte Erin. »Ziemlich viel sogar.«
»Das musste ich auch. Ich hatte ein paar Pfund zugenommen«, sagte Gareth und klopfte sich auf die Taille. Er musterte sie gründlich. »Und du siehst müde aus, Erin. War die Reise nach Hause anstrengend?«
»Sie war sehr lang, und ich komme gerade vom Flughafen.«
»Du hättest zuerst nach Hause fahren und dich schlafen legen sollen, mein Schatz«, sagte Gareth voller Zärtlichkeit.
»Ich wollte dich erst sehen, Dad.« Sie schaute sich um. »Ich habe die Arbeit in der Galerie vermisst. Wie gehen die Geschäfte?«
Einen Moment lang wirkte Gareth verlegen. »Etwa so wie zur Zeit deiner Abreise, aber ich bin sicher, es wird bald schon besser.«
Erin hätte ihren Vater gern gefragt, wie er da sicher sein konnte, doch sie wollte keinen Streit. »Es sieht so anders aus hier«, sagte sie taktvoll. Ihr fiel auf, dass einige Skulpturen versetzt worden waren und dass ihr Schreibtisch an einem anderen Platz stand. Dann bemerkte sie, dass Laurens persönliche Sachen auf ihrem Schreibtisch lagen, eine Puderdose, ein Lippenstift, Nagellack und
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