Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman
oder in der Galerie. Ich versuche mitzuhören, wenn sie telefoniert. Wenn sie mich dabei ertappt, spiele ich ihr vor, nicht zu wissen, was ich da tue. Sie wird dann wütend auf mich und schimpft mich aus, aber sie schiebt das auf meine ›Behinderung‹.«
»Wie kann diese Frau nur so dumm sein, Bradley?«
Bradley lachte. »Ich finde das witzig.«
Erin war nicht sicher, ob sie ihrem Bruder glauben sollte. »Was ist mit Dad? Das regt ihn doch sicher auf, wenn sie dich so behandelt.«
»Er weiß davon gar nichts. Vor ihm sagt sie nie ein unfreundliches Wort zu mir. Ist sie in seiner Gesellschaft, bin ich für sie unsichtbar.«
Erin spürte, dass sie Lauren noch mehr als zum Zeitpunkt ihrer Abreise aus London verabscheute. »Wieso sieht Dad denn nicht, wie hinterhältig sie ist?«
»Er ist ihr völlig verfallen. Aber mal etwas ganz anderes: Wann kommt denn Onkel Cornelius zurück?«
»Er ist noch nach Broome gefahren, um dort Perlen zu kaufen. Er wird also noch ein paar Wochen länger bleiben.«
»Dann ist er also Weihnachten gar nicht hier?«
»Nein.« Weihnachten ohne ihre Mutter und Cornelius konnte Erin sich gar nicht vorstellen. »Ich bin nur froh, dass die Zeitungsleute mich und meine katastrophale Hochzeit vergessen haben.«
»Ja, ein Glück. Auch von Dads Affäre mit Lauren hört man in der Presse nichts mehr.«
»Was ist denn mit Andy? Gibt es in den Klatschspalten irgendwas über ihn?«
Erin rechnete damit, beim Gedanken an Andy quälenden Kummer zu empfinden, vor allem jetzt, da sie zurück auf englischem Boden war, aber so kam es nicht. Jonathan hatte Andy in die Bedeutungslosigkeit verbannt.
»In letzter Zeit nicht. Allerdings haben sie ihm eine ganze Weile ziemlich übel zugesetzt. Erica Knight und ihr Mann Wendell waren für ein paar Wochen wiedervereint. Doch es stellte sich heraus, dass Wendell seiner Frau dieses Mal nicht wie sonst vertraute.«
»Wieso?«
»Er muss ihr einen Privatdetektiv auf den Hals geschickt haben. In der Zeitung erschienen Fotos von ihr auf dem Rücksitz ihrer Limousine, und auf den Fotos trug sie nichts außer hochhackigen Schuhen.«
»Ich nehme an, sie war nicht allein«, sagte Erin mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Nein, der Chauffeur war auch noch da, und er trug nur seine Uniformmütze«, feixte Bradley.
Erin lachte. »Sie scheint ja vor gar nichts zurückzuschrecken«, sagte sie sarkastisch. »Der arme Mr. Knight.«
»Die Limousine parkte hinter einer ihrer Catering-Firmen, als das Foto aufgenommen wurde. Du weißt doch, die Knights arbeiten in der Gastronomie.«
»Ja.«
»Die Zeitung hat das Foto ganz schön gemein untertitelt.«
Wieder musste Erin lachen.
»Erica hat viel Schande über sich gebracht, und alle Welt hat davon erfahren. Deshalb wird Wendell auch damit durchkommen, ihr bei der Scheidung nur eine sehr kleine Abfindung zu zahlen.«
»Geschieht ihr recht«, sagte Erin. »Und Andy? Ist er in letzter Zeit mit irgendwelchen anderen Frauen in Verbindung gebracht worden?«
»Nein. Aber öffentlich als Fremdgänger entlarvt zu werden hat seinem Ruf als begehrenswertester Junggeselle Londons ziemlich geschadet. Zu Recht. Ich habe übrigens den Verdacht, dass da was läuft zwischen Lauren und Andys Onkel, Luke Stanford.«
Erin stutzte. »Im Ernst?«
»Ich habe sie zwar nie zusammen gesehen, doch immer wenn ich Lauren zu einem Hotel folge, ist ganz zufällig auch Luke da.«
»Könnte das nicht wirklich Zufall sein?« Erin wollte fair bleiben.
»Na ja, inzwischen ist es schon vier Mal passiert.«
»Dann ist es wohl kaum Zufall. Hat sie irgendwie zu erkennen gegeben, dass sie Luke kennt?«
»Im Gespräch mit Dad hat sie ihn mehr als einmal erwähnt. Als ich ihn fragte, ob sich Lauren und Luke schon gekannt hätten, ehe sie und Dad ausgingen, meinte er, das sei nicht der Fall. Er behauptete, er habe sie mal im Dorchester einander vorgestellt, als er mit Albert Howell dort zum Essen verabredet gewesen war. Tatsächlich habe ich ihr genau an dem Tag das erste Mal ein bisschen hinterherspioniert, deshalb weiß ich, dass eine andere Variante der Geschichte eher der Wahrheit entspricht.«
»Was meinst du damit?«, fragte Erin.
»Ich hatte ein Telefonat mit angehört. Lauren verabredete sich mit einem Mann im Dorchester. Dass es ein Mann war, weiß ich, weil sie wie verrückt geflirtet hat. Sie erzählte Dad, sie treffe sich mit einem ›Bekannten‹. Natürlich nahm Dad an, es handle sich nur um einen guten alten Freund der Familie. Dann hörte
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