Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman
Marlee nie wiedersehen sollte. Der Gedanke war ihr unerträglich. Eifersucht kam in ihr auf, wenn sie sich vorstellte, dass die beiden mit Liza in Australien ein neues Leben als Familie beginnen würden. Dann kam das schlechte Gewissen, weil sie missgünstig war, ohne ein Recht darauf zu haben.
Sie würde nicht nur Jonathan und Marlee vermissen, sie vermisste auch den weiten blauen Himmel Australiens und die weitläufige Landschaft. Sie vermisste das Keckern der Kookaburras in den Bäumen und das Kreischen der Galahs. Als sie anfing, die Hitze und die Fliegen zu vermissen, überlegte sie, ob sie womöglich verrückt geworden war.
Nachts war Erins Einsamkeit am größten. Wenn sie nicht schlafen konnte, musste sie an die Nacht denken, die sie mit Jonathan auf dem Dach des Hauses in Alice Springs unter den Sternen verbracht hatte. Sie war noch niemals in ihrem Leben so verzaubert gewesen.
Die Geschäfte liefen wieder ausgezeichnet. Täglich kamen potenzielle Käufer, um sich das Wandgemälde anzusehen und Bilder zu bestellen. Bradley malte nun von morgens bis in die Nacht, aber dass Erin traurig war, entging ihm nicht. Auch Gareth war schon krank vor Sorge.
»Du solltest mit Jonathan reden, ehe er wieder nach Australien fährt«, sagte Bradley eines Abends zu ihr, als er aus dem Atelier kam und sie allein in der dunklen Küche vor einer Tasse Kakaositzen sah. »Sag ihm, was du empfindest«, schlug er ihr vor. »Ich bin sicher, er fühlt genauso.«
»Ich habe die Adresse seiner Mutter gar nicht, Bradley«, erwiderte Erin ungehalten. »Aber auch wenn ich mit ihm Kontakt aufnähme und er mich wie durch ein Wunder genauso sehr liebte, wie ich ihn liebe, würde ich mich nicht zwischen ihn und seine Verlobte drängen. Wie könnte ich, nach allem, was mir zugestoßen ist, in eine Beziehung einbrechen und sie zerstören? Da müsste ich schon eine ziemliche Heuchlerin sein, oder meinst du nicht?«
»Wenn du nicht irgendetwas tust, verlierst du ihn für immer, Erin«, sagte Bradley. Er wollte sie davon überzeugen, dass ihr Glück davon abhing, dass sie zur Tat schritt, ehe es zu spät war. »Wenn er wüsste, dass du ihn liebst, könnte er seine Wahl treffen. Ich will doch bloß, dass du glücklich wirst.«
»Er hätte nur die Wahl, entweder mich oder Liza zu verletzen. Und in solch eine schreckliche Lage möchte ich ihn nicht bringen. Er hat schon genug Sorgen damit, die richtigen Entscheidungen für Marlee zu treffen. Wir sind eben einfach nicht dazu bestimmt, zusammen zu sein, und das muss ich akzeptieren.«
In dem Bemühen, sie aufzuheitern, nahm Bradley Kontakt mit Erins bester Freundin Emma Dickinson auf, die sich sehr freute, von ihm zu hören. Zuvor hatte er schon versucht, mithilfe des Telefonbuchs von North Finchley eine Familie Maxwell ausfindig zu machen, doch ohne Erfolg.
»Wir haben dich bei unserer letzten Ausstellung vermisst, Emma. Hast du in der Zeitung nicht darüber gelesen?«, fragte er.
»Terry und ich sind gerade von unserer Hochzeitsreise aus Paris zurückgekommen, Bradley«, erzählte Emma mit der freudigen Aufregung der Frischvermählten in der Stimme. »Aber Mom hat mir alles von der Ausstellung erzählt. Offenbar war sie ein riesiger Erfolg. Wir waren alle ganz verblüfft, als wir erfuhren, dass du ein Künstler und genauso talentiert wie deine Mutter bist, wenn man den Zeitungen glauben darf. Gut gemacht!«
Bradley fühlte sich noch immer unwohl, wenn man ihn als Künstler mit seiner Mutter verglich. »Bei allem, was hier passiert ist, habe ich ganz vergessen, dass du geheiratet hast, Emma«, sagte er. »Herzlichen Glückwunsch. Ist alles gut gelaufen?«
»Ja, alles lief nach Plan. Es gab keine Dramen«, sagte sie, auf Erins Debakel anspielend. »Wie geht es Erin? Ich habe lange nichts von ihr gehört.«
»Sie ist erst seit Kurzem aus Australien zurück.« Bradley hatte Erins Aufenthaltsort geheim gehalten, ihre Freunde wussten lediglich, dass sie das Land verlassen hatte. Sie nahmen an, dass sie irgendwo in Europa unterwegs war.
»Australien! Was hat sie denn da gemacht?«
»Sie hat mit unserem Onkel Edelsteine gekauft – an einem Ort namens Coober Pedy. Das klingt so ziemlich nach dem Ende der Welt. Bestimmt würde sie dir liebend gern alles darüber erzählen, also wieso rufst du sie nicht mal an und schlägst ein Treffen vor? Und lad doch auch Carmel dazu ein. Erin hat seit ihrer Rückkehr nur gearbeitet, deshalb täte es ihr richtig gut, sich mal wieder mit ihren besten
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