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Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman

Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman

Titel: Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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tat.
    »Und? Geht es dir besser?«
    »Ja«, antwortete Carmel und atmete tief durch. »Dieses … dieses Zeug ist … abscheulich.« Sie spürte, wie ihre Beine schwer wurden und der Kopf auf einmal ganz leicht war. Ihre Wangen röteten sich. »Aber … aber danke«, keuchte sie.
    »Gern geschehen. Und jetzt reiß dich zusammen. Kein Weinen mehr. Kein Geschrei mehr. Wir werden wie zivilisierte Menschen zu Mittag essen und nicht mehr im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen.«
    Zerknirscht sah Carmel ihre Freundinnen an.
    Emma hatte versucht, ihr zu erklären, dass Frank wahrscheinlich eines Tages gemerkt hatte, dass er nicht mehr in sie verliebt war, sondern dass sie eher wie Bruder und Schwester geworden waren. Dass dies eine andere Art von Liebe war. Ohne Leidenschaft. Carmel hatte den Unterschied nicht verstanden – im Gegensatz zu Frank, der nicht den Rest seines Lebens in einer Ehe verbringen wollte, der es an körperlicher Anziehungskraft fehlte.
    Erins Eltern und sie hatten häufig Veranstaltungen besucht, auf denen auch Franks Vater Morris zu Gast gewesen war. Morris war ein netter kleiner Mann mit guten Manieren, aber er trank ganz gern mal zu viel. Leider redete er dann auch zu viel. Regelmäßig brachte er seinen Sohn in Verlegenheit, denn seine Themen drehten sich um das Intimleben mit seiner Frau Ivy beziehungsweise um dessen Mangel. Jedem, der es hören wollte, erzählte er Dinge, die lieber ungesagt geblieben wären. Fazit seiner langen Reden war die Erkenntnis, dass die Beziehung zu seiner Frau rein platonischer Art war. Es gab eine tiefe Freundschaft und große Loyalität, aber keine Spur von Leidenschaft.
    Frank sei das einzige Kind, gezeugt in Morris’ und Ivys Hochzeitsnacht. Bei einer Silvesterparty, zu der sie alle eingeladen waren, hatte Ivy diese Information plötzlich wie aus heiterem Himmel zum Besten gegeben, und auf ihrem Gesicht hatte sich unverhohlener Ekel für den »Akt«, wie sie es nannte, widergespiegelt. Sie waren alle total perplex gewesen. Morris zufolge hatte nach ihrer Hochzeitsnacht kein Liebesleben in ihrer Ehe mehrstattgefunden, und möglicherweise hatte Frank begriffen, dass seine Zukünftige seiner Mutter ziemlich ähnlich war.
    Erin trank ihren Cognac aus. Am Morgen hatte sie nicht viel gegessen, also stieg ihr der Alkohol direkt in den Kopf.
    »Männer haben Bedürfnisse«, sagte sie zu Carmel. »Ein erfülltes Liebesleben ist sehr wichtig für sie.«
    »Das weiß ich doch«, erwiderte Carmel unter Tränen, während ihre Wangen glutrot wurden. »Schließlich leben wir in den Fünfzigern, ich bin also nicht … unwissend.«
    »Stimmt das, Carmel? Oder hatte Frank vielleicht doch Grund zu der Annahme, dass es anders sein könnte?«
    »Ich … ich weiß gar nicht, was du meinst«, stammelte Carmel.
    »Hast du ihn mal zurückgewiesen, als er intim mit dir werden wollte?«, fragte Erin unverblümt. Sie wusste, dass Carmel sich sichtlich unwohl fühlte, wenn über so etwas wie Sex auch nur geredet wurde.
    »Nein. Frank ist immer ein vollendeter Gentleman gewesen. Natürlich … habe ich darauf bestanden, dass wir bis nach der Hochzeit warten, ehe wir … Du weißt schon. So machen das anständige Frauen nun mal. Aber natürlich hätte ich meine ehelichen Pflichten erfüllt, wenn wir erst verheiratet gewesen wären«, flüsterte sie.
    »Das ist genau der springende Punkt, Carmel. Es sollte keine Pflicht sein«, sagte Erin. »Die Dinge haben sich verändert. Wenn Frank davon ausgehen musste, dass du beim Sex nur deine Pflicht erfüllen würdest, um ihm eine Freude zu machen, und dabei überhaupt kein Vergnügen empfändest, dann hat ihn das womöglich abgeschreckt.« So direkt hatte Erin eigentlich nicht reden wollen, aber sie war nicht in der Stimmung, taktvoll zu sein. »Ich bin ledig, ich spreche also nicht aus Erfahrung, aber du kannst ja Emma fragen, wie die Männer so sind, sie ist doch jetzt verheiratet.«
    Emma wurde rot, grinste jedoch. »Sie hat recht, Carmel. Männer erwarten von ihren Frauen … die Bereitschaft, ein bisschen zu experimentieren.«
    Carmel sah ihre Freundin mit weit aufgerissenen Augen an. Dann brach sie in Tränen aus und verließ im Laufschritt das Restaurant. Erin und Emma waren total verblüfft, sich aber auch der Tatsache bewusst, dass die anderen Gäste wieder zu ihnen herüberstarrten.
    Erin stöhnte. »Wir waren wohl nicht dezent genug für die arme Carmel, was?«
    »Wohl nicht. Sie ist allerdings auch hypersensibel«, sagte

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