Jenseits des Meeres
fort.“
„Nun gut.“ Und während Colin zum Fluss ging, legte Kieran mürrisch sein dunkles Hemd ab. Megan strich die Heilmasse auf seine Wunden - zuerst reichlich grob, was ihre Gefühle zeigte, doch dann wurde ihre Berührung immer sanfter, je mehr Salbe sie auftrug.
Kieran versagte sich, irgendetwas zu empfinden. Starrköpfig hielt er an seinem Zorn fest und mahnte sich, dass das Leben aller in Gefahr war, doch selbst dieser vernünftige Gedanke konnte ihn nicht davon abhalten, jede einzelne Bewegung ihrer Finger zu spüren. „Eure Wunden heilen schon langsam ab.“
Weil Megans Stimme so nahe war, zuckte er zusammen.
„Gut. Ich bin Euch dankbar, Megan.“ Er drehte sich um. Sofort ließ sie ihre Hand sinken und wollte zurückweichen, doch er hielt sie fest. Er hörte sich merkwürdig rau an. „Ihr habt heilende Hände.“
Megan wagte nicht zu sprechen. Ihr Herz schlug heftig.
„Ich frage mich, ob Ihr Seelen ebenso gut heilen könnt wie Körper.“ Er legte ihr die Hand unters Kinn und zwang sie auf diese Weise, ihm ins Gesicht zu blicken.
Was sie sah, machte ihr Angst. Seine Augen wirkten noch dunkler als zuvor. Jetzt öffnete er die Lippen leicht, während er ihr den Kopf zuneigte.
Großer Gott, wollte er sie womöglich küssen? Sie wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Dieser Mann beunruhigte und faszinierte sie gleichermaßen. Und obwohl sie es nie zugegeben hätte, sehnte sie sich danach, von ihm geküsst zu werden. Sie spürte die Spannung, die die Luft zwischen ihnen vibrieren ließ.
Da sie ihm so nahe war, musste Kieran unbedingt von ihren Lippen kosten. Nur ein einziges Mal, sagte er sich. Danach wollte er sich gleich abwenden.
Seine Lippen strichen hauchzart über ihre. Gott im Himmel, wie süß sie doch war! Sie duftete nach Wiesenblumen, die in voller Blüte standen. Ihre Lippen waren kühl und frisch wie der Morgentau. Sie bebten an seinen, und er spürte Megans Unsicherheit.
Sie hat noch niemals zuvor in den Armen eines Mannes gelegen, dachte er, und dieser Gedanke erregte ihn umso mehr. Kieran vertiefte seinen Kuss.
Zuerst wollte Megan zurückweichen, doch er hielt sie fest, während seine Lippen über ihre glitten. Er hörte, wie sie erschrocken nach Luft schnappte. Daraufhin zog er sie noch enger an sich.
Zitterte sie vor Angst oder vor Erregung? Er wusste es nicht. Keinesfalls jedoch wollte er sie loslassen, zumindest jetzt noch nicht. Er brauchte noch mehr von ihr, musste noch einmal ihren Mund an seinem fühlen.
Megan war nicht nur süß, sondern gleichzeitig auch wild, und eben diese Mischung entfachte seine Leidenschaft. Trotz ihrer Unschuld spürte er den Vulkan heißer Begierde tief in ihr brodeln. Megan würde nicht die gehorsame Jungfrau sein, welche die Küsse eines Mannes hinnahm und sich dann abwandte. Nein. Er fühlte, welches Verlangen sie in ihr hervorriefen. Dennoch würde sie nicht leicht zu erobern sein.
Unvermittelt schrie Megan leise auf und stieß Kieran von sich. Ein einziger Blick auf ihre gesenkten Lider und die geröteten Wangen bestätigten seine Vermutung: Sie war noch nie zuvor mit einem Mann zusammen gewesen. Diese Vorstellung ließ ihn erneut schneller atmen.
„Ich kann mich noch nicht einmal selbst heilen“, beantwortete sie seine letzte Frage. Megan war überrascht, wie schwer ihr das Sprechen fiel. „Wie also sollte ich Euch heilen können?“
Jetzt fand sie den Mut, zu ihm aufzuschauen. Hatte er eben dasselbe erlebt wie sie? Raste sein Puls so wie ihrer? Waren seine Hände ebenfalls feucht geworden? Fühlte sich seine Kehle auch wie zugeschnürt an? Seinem Blick vermochte sie nichts zu entnehmen.
Kieran trat einen Schritt zurück, als müsste er sich selbst beweisen, dass er sich noch unter Kontrolle hatte. In Wirklichkeit jedoch wollte er nur etwas Abstand zwischen sich und Megan bringen.
Ihm fiel auf, dass seine Hände ein wenig zitterten, und als er sprach, hörte sich seine Stimme mürrisch an.
„Falls Colin und ich den Henkersknechten entkommen sollen, müssen wir uns jetzt beeilen.“ Kieran guckte sich suchend um. In einiger Entfernung entdeckte er Colin kniend am Flussufer. Er rief ihm zu: „Zeit zum Aufbruch! “
Megan hatte sich unterdessen nicht von der Stelle gerührt und betrachtete ihn mit unergründlichem Blick.
Colin, der von der Spannung zwischen den beiden nichts bemerkt hatte, hob seinen Umhang auf und schritt unbefangen auf sie zu. Heute wirkte sein Gang wesentlich fester. Der Junge wird wieder gesund,
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