Jenseits des Meeres
Schlachten zu vermeiden, welche noch mehr Leben kosten würden.
Er warf einen Blick auf die kleine Bridget, die gerade mit einem Bauernsohn spielte. Kindern wie solchen schuldete er es, diesem unruhigen Land Frieden zu bringen. Und falls das bedeutete, dass er sich mit der protestantischen Königin arrangieren musste, so ließ sich das eben nicht ändern.
Er schaute in die Runde, und ihm fiel auf, dass sich Colin nicht mehr bei ihnen befand. Offenbar hatte sich der junge Mann wieder einmal davongeschlichen.
Der Bischof runzelte die Stirn. Seit seinem Eintreffen hier war ihm der Bursche aus dem Weg gegangen. Zuerst hatte Colin die Beichte verweigert mit der Begründung, er brauche Zeit, um sich darauf vorzubereiten, und dann hatte er die Verabredung nicht eingehalten, bei der seine Zukunft in der Kirche besprochen werden sollte.
Der Bischof blickte sich in der Menschenmenge suchend nach seinem Neffen um. In seiner Jugend war Colin nie so halsstarrig gewesen wie sein Bruder Kieran. Jetzt jedoch zeigte sich sein Widerstand immer offener. Was der junge Mann brauchte, war mehr Disziplin.
Der Bischof meinte, es wäre das Beste, den Burschen für ein paar Jahre nach Rom zu schicken. Das wollte er indes Lady Katherine nicht sagen. Die gute Frau würde sich nur zu viele Sorgen um ihren jüngeren Sohn machen, ganz besonders, da Sean tot und Fiona vermisst war. Der Bischof wollte warten, bis sich Colin wieder im Kloster befand und es erst dann seiner Mutter mitteilen.
Colin zwängte sich durch die dichte Hecke und trat dann zwischen den Bäumen eines kleinen Hains hinaus. Nachdem sich seine Augen an das hier herrschende Zwielicht gewöhnt hatten, sah er Cara neben dem Bach stehen. Sie trug den schweren Umhang, mit dem sie auch am ersten Abend bekleidet gewesen war, und hatte sich die Kapuze tief heruntergezogen, um ihr Gesicht zu verbergen. Colins Herz hämmerte in der Brust.
„Ich dachte schon, du kämst nicht.“ Ihre melodische Stimme hatte ihn schon in Kindertagen beeindruckt.
Colin machte ein paar Schritte auf die junge Frau zu und blieb dann stehen. „Du wusstest doch, dass ich kommen wollte. Ich musste nur Acht geben, dass ich nicht beobachtet wurde, als ich verschwand.“
Schweigend standen sie einander gegenüber und blickten sich nur verlangend an.
„Cara.“ Er hörte selbst, dass seine Stimme belegt klang, und räusperte sich. „Lass dich anschauen.“
Sie trat ins Sonnenlicht.
„Nein, ich meinte, ich möchte dich wirklich anschauen.“
Mit beiden Händen schob sie sich die Kapuze zurück. Das Haar fiel ihr in schimmernden dunklen Wellen über den Rücken. Unsicher guckte sie ihn an. Als sie sich schließlich den Umhang ganz von den Schultern streifte, sah Colin darunter ein hellrosa Seidengewand, welches ihre schlanke Figur betonte.
„Weshalb hast du ... dein Kloster verlassen?“ fragte Colin.
„Ich ..." Sie schluckte, befeuchtete sich die Lippen und versuchte es noch einmal. „Ich merkte, dass ich für das Leben einer Nonne ungeeignet war.“
„Darüber hatten wir doch gesprochen. Wir kamen überein ...“
Cara ging einen Schritt auf ihn zu und blieb dann stehen. „Ja, wir kamen überein, es zu versuchen. Ich tat auch mein Bestes, Colin, wirklich. Doch ich konnte nicht bleiben.“ Nach einer kurzen Pause fragte sie: „Und wie steht es mit dir? Wirst du mit dem Bischof zurückgehen?“
Was sollte Colin darauf antworten? Wie konnte er über den Aufruhr in seinem Innern sprechen? Wie konnte er über die Gefühle reden, die er verdrängt hatte, seit er den ersten Schritt auf dem Weg zur Priesterschaft gemacht hatte?
Er blickte Cara an und wusste, dass er es zumindest versuchen musste.
„Cara, setz dich. Was ich zu sagen habe, wird sehr lange dauern, zumal ich mir die Worte noch nicht zurechtgelegt habe.“
Er nahm ihr den Umhang aus den Händen und breitete ihn auf dem Gras aus. Cara ließ sich darauf nieder und schaute Colin gespannt an.
„In Fleet ist etwas mit mir geschehen“, begann er leise.
„Es muss entsetzlich gewesen sein.“ Sie hielt sich die Hände vors Gesicht und schauderte.
„Ja, es war unglaublich grausam. Und ich dachte, ich müsste sterben. Es gab sogar Zeiten, da ich den Tod vorgezogen hätte, doch ich blieb am Leben. Und indem ich überlebte, geschah etwas Merkwürdiges mit mir.“ Er begann, auf und ab zu gehen, während die Worte nur so aus ihm heraussprudelten. Er erzählte ihr von Kierans Gefangennahme im Wald und von dem Mädchen, das wiederholt sein
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