Jenseits des Spiegels
aufzuhelfen, trat dann aber zurück, und versuchte kein zweites Mal sich mir zu nähern. Er schwieg einen Moment, beobachtete mich nachdenklich, und nahm dann einfach wieder den Fanden auf, als würde ich nicht gerade total lächerlich zu seinen Füßen auf dem Boden hocken. „Wir kennen die Drachen ganz gut, da sie hinter den Wolfsbäumen im Drachengebirge leben …“ Also besonders einfallsreich waren die hier mit den Namen ja nicht gerade. „… und wir sie deswegen öfters sehen. Sie greifen aber nicht an, weil sie genau wissen, töten sie einen von uns, macht das ganze Rudel jagt auf ihn, bis wir ihn zur Strecke gebracht haben. Ein Rudel voller Lykaner ist vielleicht das einzige was ein Drache fürchtet. Wir respektieren sie, und sie respektieren uns. Aus dem Grund brauchst du keine Angst vor ihnen zu haben.“
Das ganze Gerede von Jagt und Töten wirkte nicht wirklich beruhigend auf meine Nerven, und das ging Pal wohl auf. Daher ließ er das Thema fallen, und schwenkte um. „Ich würde dir gerne noch etwas anderes zeigen. Natürlich nur wenn du Lust hast.“
Ob ich Lust hatte?
Lust
? Verdammt, das einzige was ich wollte war möglichst schnell möglichst weit weg zu kommen, einfach nur aus diesem Alptraum aufzuwachen, und nicht mir … was auch immer anzusehen.
„Vertrau mir, es wird dir gefallen.“ Dieses halbe Lächeln zupfte wieder an seinem Mundwinkel, und er strahlte eine Ruhe aus, die sich auf mich übertrug. Vielleicht war es, weil er bisher der einzige war, der nett zu mir gewesen war, und mir die Dinge erklärt hatte, aber ich … naja, ich vertraute ihm nicht, er war schließlich immer noch ein Werwolf, aber bei ihm fühlte ich mich sicher. Irgendwie. Ein bisschen. Zumindest sicherer als unter all den anderen Wölfen.
Nervös nahm ich die Hand, die er mir hinhielt, um mir wieder auf die Beine zu helfen. Aber sobald ich stand, ließ ich hastig wieder los, und wich zurück. „Na gut, dann zeig mir … was auch immer.“
„Dann komm.“ Er führte mich weiter vom Lager weg. Den ganzen Weg über wirbelten die Gedanken in meinem Kopf. Drachen, hier gab es Drachen!
°°°
„Erzähl doch mal, an was du dich erinnern kannst, vielleicht helfen wir deinem Gedächtnis so auf die Sprünge.“
Ich wich einer Pflanze aus, bei der ich das Gefühl hatte, dass sie mich beobachtete – war das zu fassen? Pflanzen hatten keine Augen! – und beäugte sie misstrauisch. Die sah aber auch seltsam aus, irgendwie wie ein Korkenzieher, mit einer grünen Blüte, die mich an eine Mondsichel erinnerte. „Ich weiß nur das, was ich heute gesehen und gehört habe, und dann, naja, Dinge eben, die nichts mit mir zu tun haben.“ Hatte ich ihm das nicht bereits erzählt? „Alles andere ist einfach weg.“
„Dann ist das hier sozusagen dein erster Tag.“ Ohne Anlauf sprang er über eine Ansammlung von Dornensträuchern, und landete grinsend auf der anderen Seite.
Wolf,
musste ich mir wieder ein Erinnerung rufen. Er war ein Wolf in Menschengestallt. Die konnten sowas wohl.
Ich nahm lieber den Umweg außen rum. Ich hatte nämlich keine Lust wie ein verfluchtes Nadelkissen auszusehen. „Ja, könnte man wohl sagen.“ Ein Tag, ich war ein Tag alt. Ich schnaubte, wenn das nicht traurig war, was dann? „Zumindest ist meine Erinnerung einen Tag alt.“
„Ach, das wird sich schon geben. Du wirst sehen, alles kommt wieder in Ordnung.“ Er streckte die Hand aus, als wollte er mir die Schulter freundschaftlich tätscheln, doch ich wich ihm aus, und tat so, als hätte ich es nicht bemerkt. Auch sein Stirnrunzeln ignorierte ich. Ich wollte mich nicht von ihm anfassen lassen, das war irgendwie, naja, es war schon weil er eine Bestie war, aber da war auch noch etwas anderes, dass ich nicht benennen konnte.
„Ist es noch weit?“, fragte ich, einfach um irgendwas zu sagen. Mir war es eigentlich egal.
„Nein, es ist gleich da vorne.“ Er hielt mir einen Ast zur Seite, damit ich daran vorbeihuschen konnte. „Mit deinem Auftauchen hier, hast du ganz schön für Chaos gesorgt.“
„Glaub mir, es wäre mir auch lieber, wenn ich nicht hier wäre.“ Sondern Zuhause, wo auch immer das sein mochte.
Pal winkte ab. „Ach was, ein bisschen Trubel kann nicht schaden, und hier mal ein neues Gesicht zu sehen, ist auch ganz … ah, Moment, da ist es, gleich hinter den Sträuchern.“
Ich hoffte nur, er führte mich nicht geradewegs in ein Drachennest – bauten Drachen überhaupt Nester, oder schliefen die in
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