Jenseits des Spiegels
ihren Durst löschen. Wenn er also schlau ist, dann wird er dort auf seine Beute lauern.“
Er sah mich an, als erwartete er von mir eine Bestätigung, die mich im ersten Moment völlig überrumpelte. „Ähm … ja klar, du hast sicher Recht“, stimmte ich rasch zu.
Er lächelte mich wohlwollend an. „Eigentlich hatte ich wissen wollen, ob du den Magier für schlau hältst.“
Oh, ach so, das ergab natürlich wesentlich mehr Sinn. „Er ist auf jeden Fall nicht dumm, Wahrsinnig? Auf jeden Fall. Nicht zurechnungsfähig? Davon sollten wir im Moment ausgehen, aber dumm ist Erion sicher nicht.“
„Leider“, fügte Kovu hinzu.
„Dann würde ich sagen, dass wir dieses Gebiet hier ansteuern sollten, dort haben wir die größten Chancen sie zu finden“, sagte Van, und deutete auf einen kleinen Fleck zwischen Fels, Wald, und See, der am nächsten zu dem verlassenen Transporter lag. „Hier jedenfalls würde ich warten, wenn ich einen Drachen erlegen wollte.“
Veith beugte sich ein wenig über die Karte. „Wie lange brauchen wir dahin?“
„Bei zügigem Tempo?“ Van zuckte die Schultern. „Ein bis anderthalb Stunden.“
„Solange?“, entfuhr es mir.
Zita nickte. „Aber nur wenn wir uns beeilen. Also hopp“, – sie klatschte in die Hände – „lass uns aufhören Zeit zu verschwenden, und endlich losgehen.“
Mit diesen Worten brachte sie Bewegung in die ganze Truppe, und kurz darauf waren wir im strammen Schritt auf dem Weg.
„Du hältst dich immer an meiner Seite“, bestimmte Veith.
Ich machte schon den Mund auf um zu protestieren – einfach nur aus Prinzip, weil er mir nichts zu befehlen hatte –, aber ein Blick von ihm ließ mich sofort verstummen. Dann guckte ich ihn eben einfach nur finster an, damit er wenigstens wusste, was ich von seiner Bevormundung hielt.
Tyge lief mit Kovu vorne an der Spitze, wo er sich leise mit Zita und Najat unterhielt. Auch dieser Crypos war dort, der Typ der mir so einen finsteren Blick zugeworfen hatte. Weitgehendst war es still, nur das Rascheln, das von den Füßen und Pfoten verursacht wurde, begleitete unseren Weg. Ungefähr die Hälfte der Lykaner lief bereits in der Gestalt des Wolfes. Würde das reichen? Würden wir Pal retten können? Und Julica und Isla? Würden wir alle aus Erions Klauen befreien können, waren wir stark genug dafür? Irgendwie kam es mir so vor, als wären wir zu wenig, obwohl überall wo ich hinsah Lykaner waren.
„Ich möchte dir danken“, kam es von links.
Überrascht wandte ich mich Van zu. War der eben schon da gewesen? „Wofür?“
„In unserem Rudel fehlt nur ein Wolf, mein Bruder Karan. Er ist direkt aus dem Bett seiner Gefährtin verschwunden, und ohne dich wüsste ich wohl immer noch nicht, was mit ihm geschehen ist.“
Ich erinnerte mich, davon hatte ich in den Akten gelesen.
„Und jetzt habe ich sogar eine reale Chance in wiederzubekommen, deswegen gebührt dir mein Dank.“
„Nichts zu danken.“ Was sollte ich dazu auch sonst anderes sagen?
An meiner rechten Hand spürte ich eine kurze Berührung, die mich mehr überraschte, als Vans Worte. Veith hatte sie gestreift, nur ganz kurz, aber ich war mir sicher. Hatte Absicht darin gelegen, oder war es nur ein Versehen gewesen? In seinem Gesicht fand ich keine Spur, die mir eine Lösung zu diesem Rätsel gab. Wahrscheinlich interpretierte ich einfach mal wieder zu viel dort hinein.
Ich seufzte schwer, und lief fortan schweigend durch den Wald.
°°°
Ein schmerzerfülltes Brüllen, angefüllt mit unerträglichem Leid schallte durch den Wald, und ließ die Blätter an den Zweigen erzittern. Das einzige was noch schlimmer war als dieses Geräusch, war die nachhallende, tödliche Stille, die darauf folgte. Nicht einmal die Vögel wagten sie mit ihrem Zwitschern zu durchbrechen. Es dauerte nur einen Moment, bevor das nächste Brüllen durch den Wald hallte, gefolgt von dem Geruch von verbranntem Holz, Fell und Fleisch. Ich wagte nicht daran zu denken, was das bedeutete.
Vans Kiefer spannten sich an. „Sieht so aus, als wären wir auf dem richtigen Weg.“
„Und Erion hat bereits seinen Drachen gefunden“, fügte ich hinzu. Nur einmal hatte ich ein vergleichbares Brüllen gehört, an dem Tag an den ich auf Fangs Dachboden aufgewacht war, und Pal mich durchs Lager geführt hatte.
Pal …
Auf ein unsichtbares Zeichen hin, setzte sich die Meute hinter Najat in Bewegung. Vorher hatten wir uns schon beeilt, aber jetzt flog der Wald nur so an uns
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