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Jenseits des Tores

Jenseits des Tores

Titel: Jenseits des Tores Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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verging eine endlose Zeit, bis sie ihm auch nur halbwegs nahe gekommen war. Und als sie schließlich innehielt, fühlte sie sich noch erschöpfter und zerschlagener als zuvor.
    Dennoch schaffte sie es irgendwie, ihre Hand nach ihm auszustrecken. Das Wesen senkte den Blick und sah schweigend auf ihre Hand herab. Erst nach einer Weile hob es den Arm, an dessen Ende etwas wie eine Hand saß, von der wiederum etwas wie Finger hing. Sie bewegten sich wie die Beine einer zappelnden Spinne. Lilith spürte fast eisige Kälte und eine Feuchte, die trotz dieser Kälte nicht gefror, als sich die dürren Finger des Wesens um ihre Hand schlos-sen.
    Dann begegneten sich ihre Blicke, blieben lange ineinander. Lilith erkannte in Baldaccis wie blinden Augenhöhlen dasselbe Gefühl, wie sie es auch verspürte. Dort aber gerann es zu etwas wie einer boshaften Karikatur, hinter der sich die wahre Emotion zu verstecken suchte.
    »Ich ...«, setzte sie endlich an.
    Der Griff seiner Finger verstärkte sich um eine Nuance.
    »Sag nichts«, unterbrach er sie, um dann aber auf seine Weise auszudrücken, was Lilith hatte sagen wollen: »Was zwischen uns hätte sein können, konnte nicht geschehen in unserer Welt. In dieser Welt jedoch darf es nicht geschehen.«
    »Aber .«
    »Kein Gefühl, das nicht Wut und Zorn ist, kann hier gedeihen. Kein Gefühl, das nicht Schmerz und Qual bedeutet, hat hier Bestand. Alles andere würde sich ins Gegenteil verkehren. Wollte man Liebe hier säen, würde sie zu nichts erblühen als zu finsterstem Haß«, erklärte Baldacci. »Je stärker wir uns zueinander hingezogen fühlten, um so mehr würden wir einander hassen.«
    Lilith sah sich um, mit flackerndem Blick und am ganzen Körper zitternd, als ihr die Tragweite seiner Worte bewußt wurde. Dann fing ihr Blick sich wieder an ihm, als sie die Ödnis ringsum nicht länger ertrug.
    »Was ist dies für ein Ort?« flüsterte sie.
    »Du weißt es längst«, meinte er.
    »Dann ist es -«, setzte sie an, und nach einem Zögern: »- die Hölle?«
    »Ja und nein. Diese Welt ist eine Hölle«, antwortete das Baldacci-Wesen. Die Ernsthaftigkeit seiner Worte verlieh seiner schwer verständlichen Stimme einen drohenden Unterton.
    »Was bedeutet das?« fragte Lilith. »Eine Hölle? Gibt es denn mehrere?«
    »Ungezählte. Vielleicht so viele, wie es Menschen gibt - und vielleicht noch mehr.«
    »Und diese hier ...?«
    ». ist deine Hölle, Lilith Eden«, sagte Raphael Baldacci ruhig. »Deine ganz eigene Hölle, in der alle Sünden und alle Schuld, die du auf dich geladen hast, deiner harren. In die all jene verdammt sind, die durch dich zu leiden hatten. Und in der all deine Ängste wahrhaftig sind.«
    Lilith schluckte. Es schmerzte. Ihre Kehle war trocken, fast ausgedörrt. Und das Gefühl reichte tiefer, kroch hinab bis in ihre Eingeweide .
    Nicht - daran - denken! zwang sie sich mühsam, als ihr gewahr wurde, woher dieses Gefühl rührte, dieser - Durst...
    »Warum hast du nicht versucht, mich - zu strafen?« fragte sie.
    Ein seltsames Geräusch drang aus Baldaccis Mündern. Es klang resignierend, und leise Verzweiflung schwang darin.
    »Ich weiß es nicht«, gestand er. »Aber ich fühle mich - anders als die anderen hier. Als wäre ich schon zu Lebzeiten anders gewesen als alle anderen Menschen. Und so war es ja wohl auch. Im Grunde war ich ein Ausgestoßener, schon im Leben verflucht zur Einsamkeit. Und diesen Fluch habe ich mit in den Tod genommen. Wie immer man die Macht auch nennen mag, die an diesem Ort hier wirkt, sie durchdringt mich nicht völlig. Als wäre da etwas wie ein Schild, der mich schützt.«
    »Das verstehe ich nicht .«
    »Ich verstehe es ja selbst kaum. Vielleicht liegt das Geheimnis in meiner Herkunft, an die ich mich kaum erinnern kann«, erwiderte Baldacci leise. »Aber wenn hier die Kraft des Bösen wirkt, dann muß jene, die mich behütet, der Gegenseite angehören.«
    »Du meinst, du stehst unter Seinem Schutz ...?« Liliths Blick ging zögernd nach oben, dorthin, wo in ihrer Welt der Himmel war.
    Die weißhäutige Gestalt zuckte die mageren Schultern.
    »Wer weiß? Auf jeden Fall fühlte ich mich vorhin erst zu dir gerufen, als du in größter Not Seinen Namen genannt hast. Möglicherweise war das ja ein Hinweis .«
    Liliths Blick blieb unverwandt nach oben gerichtet. Obwohl sie nichts sah außer kochender Schwärze, glaubte sie dahinter etwas zu erahnen, zu spüren. Eine schwarze Sonne, deren Strahlung in ihren Körper eindrang, um dort das

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