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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
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wirklich sagen kann, die Neun existiere nicht, und das, dachte ich mir, spricht eigentlich für das Suahelisystem.
    Der Zufall wollte, daß ich damals einen Hausboy, Zacharias, hatte, der den vierten Finger seiner linken Hand verloren hatte. Vielleicht, dachte ich, findet man das bei Schwarzen häufig, vielleicht soll es ihnen das Rechnen erleichtern, wenn sie mit den Fingern zählen.
    Als ich daranging, meine Ideen anderen Leuten auseinanderzusetzen, wurde ich alsbald unterbrochen und belehrt. Und doch habe ich immer noch das Gefühl, daß ein Zahlensystem der Eingeborenen existiert, in dem keine Neun vorkommt und das trotzdem gute Dienste leistet und zu mancherlei Erkenntnissen befähigt.
    Dabei fällt mir manchmal ein alter dänischer Pastor ein, der mir einmal versicherte, er glaube nicht, daß Gott das neunzehnte Jahrhundert erschaffen habe.

Die Mondfinsternis
    In einem der Jahre erlebten wir eine Mondfinsternis. Kurze Zeit bevor sie eintreten sollte, bekam ich den folgenden Brief von dem indischen Stationsvorsteher des Bahnhofs Kikuju:
     
    Verehrte gnädige Frau,
    mir ist die höfliche Mitteilung zugegangen, daß das Licht der Sonne für die Dauer von sieben Tagen ausgeschaltet werden soll. Abgesehen von dem Eisenbahnverkehr, bitte ich Sie, mich gütigst unterrichten zu wollen, da ich glaube, daß mich sonst niemand gütigst unterrichten wird, ob ich während dieser Zeit meine Kühe im Freien grasen lassen oder sie eintreiben und im Stall halten soll.
    Ich habe die Ehre, zu sein, verehrte gnädige Frau, Ihr gehorsamster Diener Patel.

Die Schwarzen und der Reim
    Die Schwarzen haben einen ausgeprägten Sinn für Rhyth
    mus, aber sie kennen keine Gedichte oder kannten wenigstens keine, bevor Schulen eingeführt und ihnen die Hymnen beigebracht wurden. Eines Abends, als wir draußen auf dem Felde bei der Maisernte Kolben pflückten und die Ochsenkarren beluden, machte ich mir den Spaß, den Feldarbeitern, meist ganz jungen Burschen, Reime in Suaheli vorzusagen. Die Verse hatten keinen Sinn, mir kam’s nur auf den Reim an: »Ngumbe – na penda chumbe. Malaya
    - mbaya. Wakamba – na kul mamba.« Ochsen lieben Salz
    - Huren sind schlecht – die Wakamba essen Schlangen. – Den Jungen gefiel die Sache, sie stellten sich im Kreise um mich auf. Sie begriffen sofort, daß es bei Gedichten nicht auf den Inhalt ankam, und achteten nicht darauf, was die Verse besagten, sondern warteten neugierig auf den Reim und lachten, wenn er kam. Ich versuchte, sie selber Reime finden zu lassen, und sagte ihnen Zeilenanfänge, die sie fertigdichten sollten, aber das konnten oder wollten sie nicht und drehten ihre Köpfe weg. Als ihnen der Klang von Reimen vertraut geworden war, baten sie mich: »Sprich wieder. Sprich wie Regen.« Warum sie meinten, Verse seien wie Regen, weiß ich nicht. Es muß aber wohl ein Ausdruck des Lobes gewesen sein, denn Regen ist in Afrika immer etwas Ersehntes und Willkommenes.

Der Fall Kitosch
    Kitoschs Geschichte hat in den Zeitungen gestanden. Sie wurde ein denkwürdiger Fall, ein Gerichtshof wurde eingesetzt, der ihn vom Anfang bis zum Ende prüfen und eine Erklärung für ihn suchen sollte. Einige Erklärungen sind heute noch in den alten Akten zu finden.
    Kitosch war ein junger Eingeborener, der in den Diensten eines jungen weißen Siedlers in Molo stand. Eines Mittwochs im Juli lieh der Siedler einem Freunde seine braune Stute, damit dieser zum Bahnhof reiten konnte. Er schickte Kitosch hin, die Stute zurückzuholen, und befahl ihm, nicht auf ihr zu reiten, sondern sie am Halfter zu führen. Aber Kitosch sprang auf die Stute und ritt sie nach Hause, und am Samstag wurde diese Unbotmäßigkeit dem Siedler von einem, der sie gesehen hatte, hinterbracht. Zur Strafe ließ der Siedler Kitosch am Sonntagnachmittag auspeitschen und sperrte ihn hierauf gefesselt in seinen Schuppen, wo Kitosch am Sonntag spätabends starb.
    Der Gerichtshof, der über die Sache zu befinden hatte, trat in Nakuru im Gebäude der Eisenbahnverwaltung am 1. August zusammen.
    Die Schwarzen, die zusammenströmten und um das Gebäude herumhockten, begriffen nicht, was es da zu untersuchen gab. Für sie war der Fall klar, Kitosch war tot, daran war nicht zu zweifeln, und nach ihren Rechtsbegriffen mußte seiner Familie für seinen Tod Schadenersatz geleistet werden.
    Aber die europäische Vorstellung von Gerechtigkeit weicht von der afrikanischen weit ab, und für das Gericht der Weißen erhob sich das Problem von Schuld und

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