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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
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Dorf zu Dorf rennend, das Volk zum Kampf aufruft und ihm das Gemetzel und die Beute schildert. Vor hundert Jahren wäre den weißen Einwanderern bei diesem Lied das Blut in den Adern geronnen. Aber meistens gab er sich nicht so schreckenerregend. Eines Nachts sang er drei Lieder, und ich bat Kamante, sie mir zu übersetzen. Das erste war eine Phantasie; die Tanzgesellschaft erbeutete sich ein Schiff, und man segelte zusammen nach Ulaya. Das zweite wurde, wie Kamante mir erklärte, zum Ruhm der alten Weiber gesungen, der Mütter und Großmütter des Sängers und der Tänzer. Dies Lied hatte für mich etwas besonders Rührendes; es war lang und schien aufs genaueste die Weisheit und Güte der zahnlosen glatzköpfigen alten Kikujuweiber zu schildern, die um den Holzstoß in der Mitte des Kreises saßen und mit den Köpfen nickten. Das dritte Lied war kurz, löste aber so laute Lachsalven aus, daß der Sänger seine Stimme schrill erheben mußte, um sie zu übertönen, und selber beim Singen lachte. Die alten Weiber, die nun schon in der besten Laune waren, klatschten sich auf die Schenkel und sperrten die Mäuler auf wie Krokodile. Kamante war außerstande, mir den Text zu sagen; er behauptete, es sei Unsinn, und gab mir nur eine verkürzte Fassung. Das Thema war sehr einfach: Wegen einer Pestepidemie hatte die Regierung einen Preis auf jede tote Ratte ausgesetzt, die dem Bezirkskommissar geliefert wurde; in dem Liede wurde beschrieben, wie die Ratten, von allen Seiten gehetzt, in den Betten der alten und jungen Weiber Zuflucht suchten und was ihnen daselbst passierte. Die Einzelheiten, die mir jedoch vorenthalten wurden, müssen sehr lustig gewesen sein, sogar Kamante konnte sich beim Übersetzen eines säuerlichen Lächelns nicht enthalten.
    Bei einer der nächtlichen Ngomas ereignete sich ein dramatischer Vorfall. Die Ngoma war eine Abschiedsfeier, die kurz vor meiner Europareise veranstaltet wurde. Wir hatten ein gutes Jahr hinter uns, und das Fest war groß aufgemacht; an die fünfzehnhundert Kikuju waren gekommen. Der Tanz hatte schon einige Stunden gedauert, als ich aus dem Hause trat, um noch eine Weile zuzuschauen, ehe ich zu Bett ging; man hatte mir einen Sessel vor eine der Gesindehütten gerückt, und ein paar alte Squatter sorgten für meine Unterhaltung.
    Plötzlich lief durch den Ring der Tänzer eine Welle der Erregung, eine Überraschung oder Besorgnis, ein seltsames Rauschen, als bliese der Wind durch ein Schilfröhricht. Der Tanz verlangsamte sich mehr und mehr, wurde aber nicht abgebrochen. Ich fragte einen der alten Männer, was los sei. Er antwortete rasch mit leiser Stimme: »Massai wana kuja« – die Massai kommen.
    Ein Läufer mußte die Nachricht gebracht haben, denn es verrann eine geraume Weile, ehe etwas Weiteres geschah; wahrscheinlich hatten die Kikuju Botschaft zurückgeschickt, die Gäste würden empfangen werden. Es war den Massai verboten, zu einer Ngoma der Kikuju zu kommen; zu viele Mißhelligkeiten waren schon aus derlei Besuchen erwachsen. Meine Hausboys kamen heran und stellten sich bei meinem Stuhl auf; alles blickte auf den Eingang des Tanzplatzes. Als die Massai hereintraten, hörte der Tanz auf.
    Zwölf junge Massaikrieger erschienen im Ring, taten einige Schritte und blieben stehen; sie sahen nicht nach rechts und nicht nach links, blinzelten nur vor sich ins Feuer. Bis auf ihre Waffen und ihren prunkvollen Kopfputz waren sie nackt, einer hatte die Kopfzier aus Löwenfell auf, die der Moran im Kriege trägt. Ein breiter Streifen Scharlachrot zog sich von den Knien bis zum Fuß hinab, als rinne ihnen Blut die Beine entlang. Sie standen aufrecht, steifbeinig, mit zurückgeworfenen Köpfen stumm und todernst da; ihre Gebärden waren zugleich die von Eroberern und von Gefangenen. Man spürte, daß sie wider Willen zu der Ngoma gekommen waren. Das dumpfe Trommelschlagen war bis ins Reservat hinübergedrungen; es hatte fort und fort gedröhnt und die Herzen der jungen Krieger drüben erregt; die zwölf hatten nicht vermocht, dem Ruf zu widerstehen.
    Auch die Kikuju waren tief erregt, aber sie nahmen ihre Gäste geziemend auf. Der Vortänzer der Farm führte sie in den Tanzring, wo sie in tiefem Schweigen Platz nahmen, und die Ngoma begann aufs neue. Es war aber nicht mehr die gleiche wie vorher, die Luft war geladen. Die Trommeln dröhnten lauter und in rascherem Takt. Hätte die Ngoma ihren Fortgang genommen, wir hätten gewiß großartige Kunststücke zu sehen bekommen; die

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