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Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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jemanden gab, auf den sie bauen konnte und der ihr bei Schwierigkeiten helfen würde.
    Auch jetzt verhieß sein massiger Leib inmitten dieses Niemandslandes Heimat. Ja, bekräftigte sie den Anflug von Hoffnung, sie hatten viel verloren, aber nicht alles. Sie hatten den Brand heil überstanden, Rita war ins Reich der Lebenden zurückgekehrt, der Kleinen ging es gut, und Rita trug sie nun fast ständig bei sich.
    Und außerdem – ein Lächeln erschien auf ihrem steifgefrorenen Gesicht –, außerdem hatten sie Ana dabei.
    Es war hart gewesen, Ernesta davon zu überzeugen, aber am Ende hatte sie in alles eingewilligt: Emilia würde sie am Ertrag der Estancia beteiligen und so ihre Schulden abzahlen – was, wie Ernesta nach einigen Momenten des Zögerns widerwillig feststellte, wahrscheinlich schneller geschehen würde, als wenn sie als Huren arbeiteten. Und Ana, die jeden noch so starken Mann mühelos ersetzen konnte, würde sie begleiten.
    »Vielleicht ist es gar nicht so dumm«, hatte Ernesta zugegeben, obwohl sie diese Forderung von Emilia zunächst heftig zurückgewiesen hatte, »sie wird ohnehin zu alt, zu hässlich und zu spitzzüngig, um noch Männer zu erfreuen. Aber zupacken und schuften, das kann sie tatsächlich.«
    Emilia betrachtete die Russin, die auf der Schaluppe sichtlich fror, aber dennoch die Reise zu genießen schien. Die sonst so farblose Haut hatte sich gerötet – und egal, was Ernesta über sie sagen mochte, nie war diese dürre, zähe Frau Emilia so schön vorgekommen. Keine Kleider, keine Frisur, kein Parfüm hätten ihr so viel Anmut schenken können wie diese Freiheit, nach der sie sich wohl all die Jahre gesehnt und die sie dank Emilias Hilfe nun endlich erlangt hatte.
    Ja, sagte sie sich wieder, nicht nur auf Pedro konnte sie sich verlassen, sondern auch auf Ana. Selbst mit ihrer Hilfe würde es schwer sein, die Estancia zu bewirtschaften – aber sie würde nicht aufgeben, auch diesmal nicht. Sie würde sämtliche Kräfte, sämtlichen Willen aufbringen, in der Fremde zu überleben.

21. Kapitel
    HAMBURG
    N ora schreckte hoch. Ein Rumpeln hatte sie geweckt, und als sie schlaftrunken zum Fenster spähte und nur graues Morgenlicht sah, das durch die Ritzen strömte, konnte sie sich nicht erklären, wer so einen Lärm veranstaltete. Niemand machte im Haus der Hoffmanns Lärm – weder Gustav oder Minna noch die vielen Dienstboten. Ein jeder schien wie auf Zehenspitzen durch die Gänge zu schleichen, und sie genoss diese Ruhe, diesen Frieden.
    Doch da war es wieder! Ein Rumpeln, gefolgt vom Knallen einer Tür und einem quietschenden Geräusch, als würde ein schwerer Gegenstand über den Boden gezogen werden.
    Nora sprang so abrupt auf, dass ihr die Schlafhaube vom Kopf rutschte. Während sie auf den Gang stürzte, fuhr sie sich mit den Fingern durch die Haare und hielt sie im Nacken umfasst, damit sie nicht wirr vom Kopf abstanden. So hektisch sie auch nach draußen stürmte – so steif wurden ihre Bewegungen, als sie erkannte, wer da frühmorgens heimgekehrt war und keine Rücksicht auf die anderen Bewohner nahm.
    Fast ein ganzes Jahr war seit ihrer Hochzeit vergangen – und eigentlich hatte sie sich in ihrem neuen Leben gut eingefunden. Tief in ihr wucherte zwar die Bitterkeit, die sie in der Hochzeitsnacht zum ersten Mal geschmeckt hatte, weil Arthur sich ihr gegenüber so kalt verhielt. Doch sie hatte sich davon abzulenken vermocht, indem sie die Haushaltsführung übernahm und sich, wenn auch nicht den Respekt des Ehemanns, doch den der Dienstboten, allen voran Frau Christa, errungen hatte. Man schätzte ihre besonnene, ruhige Art, dass sie, auch wenn sie tadelte, stets höflich blieb und dass sie sich nicht in jede Kleinigkeit einmischte, sondern jedem seinen Verantwortungsbereich überließ. Überdies hatte sie ein umfangreiches ehrenamtliches Engagement aufgenommen, das sie mehr erfüllte, als sie erwartet hatte. Ja, alles war irgendwie besser geworden als erwartet. Und am besten war, dass sie Arthur nicht ertragen musste.
    Zumindest dachte sie das manchmal.
    In diesem Augenblick wusste sie nicht, was sie denken sollte. Eben wankte Arthur die Treppe hinauf, nicht allein, sondern in Begleitung zweier schrill bemalter und leichtbekleideter Frauen, die ihn rechts und links stützten. Ohne ihre Hilfe wäre er längst auf der Treppe gestolpert und gefallen – so betrunken, wie er war: Seine Weinfahne traf Nora wie ein Schlag, sein Gesicht war ungesund gerötet, seine Kleidung

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