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Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Schultern.
    »Man muss prüfen, ob die Euter auch keine Verhärtungen haben, und beim Bock, ob beide Hoden normal entwickelt sind«, belehrte Emilia sie.
    »Mein Gott, Emilia!«, schaltete sich Rita ein. »Sie ist ein sechsjähriges Kind! Solche Dinge muss sie noch nicht wissen!«
    »Warum nicht? Unser Leben dreht sich nun mal um die Schafzucht.«
    Rita seufzte ergeben. In Emilias Augen leuchtete etwas auf, dem sie nichts entgegensetzen konnte. Damals, als die Herberge niedergebrannt war, sie Punta Arenas verlassen hatten und ins Ungewisse aufgebrochen waren, hatte sich Emilia wohl ebenso verloren und verwirrt gefühlt wie sie, und der erste Blick auf die Estancia hatte sie nicht sonderlich hoffnungsvoller gestimmt. Da der Besitz völlig eingeschneit war, konnte man nicht viel erkennen, außer wie dreckig und ungepflegt er war und dass in den letzten Wochen jede Menge Tiere erfroren oder verhungert waren, weil sich die Dienerschaft von Agustinas Vater nicht ausreichend um sie gekümmert hatte. Doch während Rita sich am liebsten verkrochen hätte, bis endlich der Frühling anbrach, war Emilias Sturheit erwacht. Nahezu trotzig hatte sie sich auf die Herausforderungen gestürzt, und seitdem konnte sich Rita an keinen Augenblick erinnern, da sie still stand und von einem anderen Thema sprach als der Schafzucht. Und die Energie, die sie darauf verwendete, hatte sich gelohnt: In kürzester Zeit hatte sie den Tierbestand nicht nur verdoppelt, sondern verdreifacht.
    Rita war sich nicht ganz sicher, woher dieser Eifer und die enorme Tatkraft rührten. Vielleicht war Emilia tatsächlich einfach nur geschäftstüchtig und hatte erkannt, dass man hierzulande auf keine Weise mehr Reichtum anhäufen konnte als mit dem »Weißen Gold«, wie die Schafe genannt wurden. Vielleicht aber suchte sie Vergessen und wollte nicht an das denken, was zurücklag – weder an Manuel, die erste große Liebe, noch an Arthur Hoffmann. Rita hatte nie herausgefunden, was genau zwischen den beiden vorgefallen war, als er vor sechs Jahren das letzte Mal in Punta Arenas weilte – sie wusste nur, dass sich Emilias Blick, kaum dass sein Name fiel, erst umwölkte und dann eiskalt wurde.
    Rita bohrte nicht nach und konnte Emilias Wunsch, zu vergessen, nur allzu gut verstehen. Sie selbst verschloss sich ihren schlimmen Erinnerungen schließlich mit gleicher Hartnäckigkeit, auch wenn ihr das besonders an Tagen wie diesem, da sie in Punta Arenas waren, ungleich schwerer fiel. Bei jedem Abstecher in die Stadt musste sie gegen die Panik ankämpfen, dass sie Jerónimo und Esteban begegnen könnten. Und auch wenn das bisher nie geschehen war, war die Furcht davor noch gewachsen. Dass Aurelia sie in den letzten Jahren begleitete – Emilia bestand darauf, die Kleine von Kindesbeinen an auf künftige Pflichten vorzubereiten –, machte es nicht leichter. Eben zerrte sie ungeduldig an ihren Händen, aber Rita mied weiterhin die Menge, zog das Kind zurück und streichelte ihm beschwichtigend, aber zugleich etwas abweisend über die Haare.
    Sosehr sie das Vergessen suchte – allein wegen Aurelia konnte sie sich doch nie von dem freimachen, was geschehen war, konnte sich nur damit trösten, dass diese weit mehr heraufbeschwor als einstige Qualen. Seit dem Brand sah Rita ein Zeichen in ihr, dass selbst aus der dunkelsten Stunde ihres Lebens etwas Gutes hervorgegangen war. Dieses Gute würde ihre Ohnmacht und den Hass auf Esteban, ihre Furcht und ihre Enttäuschung über Jerónimo zwar nie ausmerzen können, aber wenn sie Aurelia ansah, kam zu diesen Gefühlen noch etwas anderes hinzu, etwas, das ihnen die letztgültige Macht nahm. Der Stolz zu sagen: Es ist mein Leben, mein Kind.
    Aurelia zappelte. Ihr waren weitere Dinge eingefallen, auf die man beim Schafkauf achten musste, und selbstbewusst trug sie diese vor: »Oft werden angeblich trächtige Mutterschafe verkauft, die dann doch nicht lammen. Man muss deren Euter genau betasten, um die Trächtigkeit zu überprüfen.«
    Emilia nickte bestätigend. »Und man muss feststellen, ob sie vielleicht von Schafräude oder Moderhinke befallen sind. Was macht das so schwierig?«
    Rita selbst hätte es nicht sagen können.
    »Ihr Befall wird erst oft nach zehn Tagen sichtbar«, erklärte Aurelia dagegen eifrig.
    »So ist es«, lobte Emilia. »Wobei nicht jedes hinkende Schaf die Moderhinke hat. Was genau ist das?«
    »Das ist eine Entzündung der Klauen, an der ein Schaf nach dreißig Tagen stirbt.«
    »Und wie findet

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