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Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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von Werften, Werkstätten und Handelshäusern mit Kontakten bis nach London hatte sich verdoppelt – auch die Tavernen, Gasthöfe und Herbergen.
    Als Rita in der Ferne einige dieser Häuser sah, stieg unwillkürlich Agustinas Gesicht vor ihr auf. Energisch schüttelte sie den Kopf, um es zu vertreiben. Emilia hatte einmal laut überlegt, ob sie sie besuchen sollten – schließlich verdankten sie ihr die Estancia –, doch allein die Möglichkeit, Esteban über den Weg zu laufen, hatte Rita zutiefst entsetzt, und schließlich hatte Emilia darauf verzichtet.
    Rita stellte sich auf die Zehenspitzen, um noch einen Blick auf die Gefährtin zu erhaschen. Diese diskutierte mittlerweile mit dem Händler über Wolle, und das mit äußerst grimmigem Gesicht. Man dürfe, so hatte sie Rita oft erklärt, niemals Begeisterung für die Ware erkennen lassen, denn diese würde deren Preis nur in die Höhe treiben. Emilia konnte mittlerweile nicht nur feilschen wie ein Mann, sondern ebenso böse fluchen, und wenn sie sich damit auch den Respekt der Händler verschafft hatte – Rita machte sie oft Angst. Sie liebte Emilia wie eine Schwester und wusste, dass sie ihr bedingungslos das eigene Leben und das ihres Kindes anvertrauen konnte, aber mit der zunehmend schroffen Art war nicht leicht zu leben, vor allem dann nicht, wenn sie in demselben strengen Tonfall, den sie gegenüber Männern verwendete, auch mit ihr oder Aurelia sprach.
    »Mama, wer ist das?«, riss Aurelia sie plötzlich aus den Gedanken.
    So auf Emilia konzentriert, hatte sie nicht bemerkt, dass Aurelia inzwischen einen ganz bestimmten Mann beobachtete.
    »Wer ist dieser Mann?«, wiederholte sie.
    Rita folgte ihrem Blick, aber am Hafen waren viel zu viele Männer unterwegs, um zu wissen, wen Aurelia meinte.
    »Welcher Mann?«
    »Er starrt die ganze Zeit zu uns. Und grinst dabei.«
    Kurz war es Rita, als griffe eine kalte Hand nach ihr. Die wenigen Worte – ein Mann … starrt auf uns … grinst dabei … – ließen sie sofort an Esteban denken. Oder an Jerónimo. Doch als Aurelia nun heftig in eine bestimmte Richtung deutete und Rita endlich erkannte, wer ihre Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, stieß sie vor Erleichterung einen hellen Pfiff aus.
    Jahrelang hatte sie ihn nicht gesehen, aber sie erkannte ihn sofort. Damals hatte sie keine Möglichkeit gehabt, ihm zu danken, dabei war ihr viel später aufgegangen, dass sie ihm wahrscheinlich ihr Leben verdankte.
    »Das glaube ich ja nicht!«, stieß sie aus. Der Mann erhob sich, kam auf sie zu.
    »Er hinkt ja wie ein krankes Schaf!«, stellte Aurelia fest.
    »Das ist Balthasar!«, rief Rita freudig erregt. »Balthasar Hoffmann!«

    Als er sie erreichte, sah Rita, dass Balthasar wie früher einen Skizzenblock in der Hand hielt. Noch ehe Rita einen Blick darauf werfen konnte, hatte Aurelia bereits das Bild gesehen, das Balthasar eben gezeichnet hatte, und das Motiv erkannt: »Das bin ja ich!«, rief sie ebenso verdutzt wie begeistert.
    Balthasar hob den Block mit stolzem, warmem Lächeln. »So ist es«, bestätigte er, nachdem er Rita begrüßt hatte. »Das bist du mit deiner Mutter! Wobei ich von eurer Schönheit eigentlich so geblendet bin, dass ich zu blind zum Malen sein müsste.«
    Aurelia kicherte, Rita fühlte sich hingegen jäh verlegen. Eben noch hatte sie sich darüber gefreut, den Mann wiederzusehen, der sie einst in dunkelster Stunde nach Hause und in Sicherheit gebracht hatte. Nun wusste sie nicht, worüber sie mit ihm reden sollte. Es machte die Sache nicht leichter, dass sie sich fragte, was er sich wohl bei Aurelias Anblick dachte. Ahnte er, wessen Tochter sie war? Und hatte er noch ihren Anblick von damals vor Augen, als sie auf der Straße lag – blutig und zerstört?
    Doch sein Blick war arglos und freundlich. Er überreichte Aurelia das Bild.
    »Malst du auch ein Bild nur von mir alleine?«, fragte sie ohne Scheu vor Fremden, die sie nach der einsamen Kindheit auf der abgeschiedenen Estancia trotz aller Neugierde meist an den Tag legte.
    »Willst du etwa niemanden neben dir dulden?«, gab Balthasar schmunzelnd zurück.
    Die Kleine runzelte die Stirn. »Nun, vielleicht eines unserer Lämmer«, schlug sie vor.
    Balthasar hatte sich zu ihr herabgebeugt, so dass sie auf Augenhöhe mit ihm reden konnte. Das machte es auch Rita leichter, ihre Verlegenheit zu überwinden.
    »Was … was machen Sie in Punta Arenas?«, fragte sie neugierig. »Ich dachte, Sie und Ihr Freund wären längst

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