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Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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man heraus, dass ein Schaf daran leidet?«
    »Ein wichtiger Hinweis ist der üble Geruch. Wenn man auf die Klaue drückt, tritt eine schmierige Flüssigkeit aus. Allerdings kann das auch darauf hindeuten, dass sich das Schaf einen Erdklumpen oder einen Dorn eingetreten hat. Und …«
    Aurelia wollte noch etwas hinzufügen, aber da hatte sich Emilias Blick bereits starr auf etwas gerichtet. Sie achtete nicht länger auf die Kleine, sondern stürzte darauf zu. Rita konnte nur erahnen, was ihre Aufmerksamkeit so in Bann gezogen hatte. Wahrscheinlich hatte sie endlich einen guten Schafhändler entdeckt, mit dem sich Geschäfte lohnten.
    Die besten Zuchtschafe, das wusste mittlerweile auch sie, kamen von den Falklandinseln, die vor einigen Jahrzehnten von England in Besitz genommen worden waren und wohin die Einwanderer verschiedene Rassen ihres Landes mitgenommen hatten: Cheviot- und Merino-, Leicester- und Romney-, Marsh- und Linkolnschafe. Die Rassen hatten sich untereinander gekreuzt, die weniger lebenstüchtigen Schafe waren gestorben, und so waren nach und nach die Falklandschafe gezüchtet worden, die sich den rauhen Lebensbedingungen gut angepasst hatten. Mittlerweile lebten eine halbe Million Schafe auf den Inseln, und einige von ihnen wurden regelmäßig von Port Stanley, dem wichtigsten Hafen dort, in Ozeandampfern oder kleinen Schaluppen zum Verkauf nach Punta Arenas gebracht. Diese Schafe waren begehrt – lockten aber auch Betrüger an, nicht zuletzt Argentinier, die an ihrer statt Schafe aus Buenos Aires verkauften. Diese glichen zwar auf den ersten Blick den Falklandschafen, waren aber bei weitem nicht so robust und gingen in der patagonischen Pampa oft zugrunde. Rita hätte die guten Schafe nicht von den schlechten unterscheiden können – aber Emilia trat nun eben mit Kennerblick auf einen der Händler zu und begann, grußlos mit ihm zu reden. Ihr Gesicht glühte – wie immer, wenn sie feilschte.
    Über den Lärm des Hafens hinweg vernahm Rita einzelne Wortfetzen, als der Händler einen Zuchtbock anpries. Mit seinen zehn Jahren befand ihn Emilia als zu alt, während der Händler sie zu überzeugen versuchte, dass er noch gute Dienste leisten könne.
    »Man muss auch auf Läuse achten!«, plapperte Aurelia indessen weiter. »Und auf die Räudemilben! Sie leben auf der Haut des Schafs, und die fängt dann zu jucken an, und wenn sie sich zu oft scheuern, verlieren sie die Wolle.«
    Rita nickte geistesabwesend. »Komm! Lass uns ein wenig beiseitetreten! Sonst stehen wir im Weg!«
    Zuerst folgte das Kind nur widerstrebend, wurde dann aber rasch von den vielen Eindrücken des Treibens im Hafen abgelenkt.
    In den letzten Jahren waren viele neue Läden gebaut worden, für Lebensmittel, Kleidung und Werkzeuge, und außerdem jede Menge Wollbaracken, in denen Wolle gestapelt und entweder nach England oder nach Rio Gallegos in Argentinien verschifft wurde. Außerdem war Punta Arenas zum wichtigsten Umschlagplatz für Wellblech geworden, für Draht und Zaunpfosten, Baumaterial und Sattelzeug. Auf den Straßen standen dichtgedrängt die Ochsenkarren, die den Transport dieser Waren über Land bestellten – an der Mole reihte sich Küstenschiff an Küstenschiff, welche die Lasten über See zum Bestimmungsort fahren würden. An manchen Tagen war auch das von Pedro darunter, der – als immer noch treuer, wenngleich unsteter Gefährte – wie versprochen ihr Fleisch und ihre Wolle verkaufte und manchmal auch dabei war, wenn Emilia bei den großen Auktionen neue Schafe erwarb. Sonderlich nützlich war er dabei jedoch nicht. Er gab zwar vor, mittlerweile genauso viel über Tiere zu wissen wie Emilia, doch vom Feilschen hatte er keine Ahnung, und sich an vorgegebene Termine zu halten fiel ihm schwer. Auch heute war er nicht nach Punta Arenas gekommen, obwohl er es eigentlich versprochen hatte – vielleicht hatte er in irgendeiner Bucht der Magellanstraße geankert, Muscheln gesammelt und verschmaust und darüber die Zeit vergessen.
    Während Rita ihre Augen gesenkt hielt, drehte sich Aurelia aufgeregt im Kreis und deutete auf die vielen Menschen, die schrien und fluchten, schimpften oder lachten, prahlten oder mürrisch schwiegen. Nur eines hatten sie gemeinsam, die Makler und Arbeiter, Fuhrleute und Händler – sie stanken erbärmlich. Rita zog ihre Tochter noch ein paar Schritte weiter. Der Geruch nach Schweiß wurde schwächer, durchdringend dagegen der nach frisch gebratenem Fleisch. Nicht nur die Anzahl

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