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Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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nicht groß genug, dass er sich dazu bereit erklärte, sich notfalls mit Gewalt zu verteidigen. Emilia wollte ihm den Gebrauch eines ihrer beiden Gewehre zeigen, doch er lehnte ab, es auch nur anzufassen. Später verlangte Emilia, dass er wenigstens in unterschiedlicher Kleidung über die Estancia laufen möge, um vorzugaukeln, dass mehrere Männer hier arbeiteten – doch auch dazu war er nicht bereit und faselte hilflos etwas von Lüge und Betrug, deren er sich nicht schuldig machen dürfte.
    Balthasar hätte alles liebend gerne getan, was Don Andrea verweigerte – doch er hinkte zu offensichtlich, als dass ihm die Täuschung abgenommen werden würde. Maril wiederum war zu groß und seine Haut zu dunkel, um dafür zu taugen.
    Seine Wunde war mittlerweile fast ganz verheilt, und nur dass er manchmal die Stirn runzelte, verriet seine Schmerzen. Noch am ersten Tag, nachdem Esteban und Jerónimo aufgetaucht waren, erklärte er, er würde sich freiwillig den Männern ausliefern, um sie nicht in Schwierigkeiten zu bringen.
    »Bist du verrückt geworden?«, herrschte Ana ihn an.
    Emilia war mit ihren Beteuerungen, er könne bleiben, nicht ganz so schnell. Tatsächlich dachte sie kurz, ob nicht alle Probleme gelöst wären, wären sie den Tehuelche los: Doch am Ende kam sie zur Einsicht, dass ihnen das keineswegs helfen würde.
    »Das hat keinen Sinn«, erklärte sie. »Esteban und Jerónimo werden wir nicht so einfach los. Ihnen geht es längst nicht mehr nur darum, eine verhasste Rothaut zu meucheln.«
    Maril wollte weiterhin im Schuppen wohnen, aber sie holte ihn ins Haus, so dass alle Bewohner im Falle eines Angriffs zusammen waren. Don Andrea beglotzte ihn fasziniert, neugierig und abgestoßen zugleich. Tagelang wagte er kein Wort mit ihm zu reden, und als er schließlich doch allen Mut zusammennahm und den Mund öffnete, fuhr Emilia ihn an: »Wenn Sie jetzt anfangen, ihm irgendetwas über Gott und Jesus Christus zu erzählen, jage ich Sie auf der Stelle fort. Das kann ich jetzt unmöglich ertragen.«
    Der Mund des Missionars klappte wieder zu, während Emilia ein schwaches Lächeln auf Marils Gesicht zu sehen glaubte. Vielleicht irrte sie sich aber auch.
    In jedem Fall setzte sie bald großes Vertrauen auf Maril. Er schlief ebenso wenig wie Ana, und ihm entging nichts – weder ein ungewohntes Geräusch noch ein fremdes Gesicht. Emilia wechselte sich nicht länger nur mit Ana, sondern auch mit ihm bei ihren Kontrollgängen über die Estancia ab. Sie selbst und Ana trugen dabei stets eines der Gewehre – Maril hingegen verweigerte diese Waffe ebenso wie Don Andrea, allerdings nicht aus Abscheu vor Gewalt, sondern weil er eine bessere hatte. Normalerweise würde er auch Pfeil und Bogen besitzen, hatte er erklärt, doch beides hatte er auf seiner Flucht verloren. Was er sich jedoch aus einem Stück Leder mühelos selbst basteln konnte, war eine Steinschleuder oder eine Boleadora, wie er sie nannte. Noch im Inneren des Hauses führte er vor, wie zielgenau er damit treffen konnte. Obwohl Emilia kurz befürchtete, er würde das wenige Geschirr zerschlagen, das sie besaßen, musste sie alsbald anerkennen, dass er die Waffe tatsächlich perfekt beherrschte.
    Auch Aurelia war davon begeistert. Anfangs quengelig, ständig im Haus hocken zu müssen, wich sie Maril nun nicht mehr von der Seite und konnte nur dann nicht bei ihm sein, wenn er einen seiner Erkundungsgänge durchführte.
    Emilia war erstaunt, dass Rita Aurelia den Umgang mit dem Tehuelche erlaubte – so skeptisch, wie sie sich gegenüber allen Männern zeigte, die nicht hinkten wie Balthasar oder Priester waren wie Don Andrea. Vielleicht hatte sie ob ihrer Schreckensstarre gar nicht bemerkt, was um sie vorging. Oder sie hatte instinktiv zu Maril Vertrauen gefasst, weil er ein Verwandter ihres Volkes war.
    Danach fragen wollte sie sie nicht. Sie konnte nicht in Ritas verängstigtes Gesicht sehen, ohne sich selbst in dunklen Phantasien zu ergehen, was ihnen womöglich allen bevorstand.
    Ana dagegen glaubte, Maril vor Aurelia schützen zu müssen. »Sag offen, wenn sie dir lästig ist«, forderte sie ihn auf. Wenn es notwendig war, kümmerte sie sich zwar um Aurelia genauso fürsorglich wie Emilia und Rita – doch von ihnen dreien war sie mit dem Kind am strengsten und konnte nicht verbergen, dass sie sich oft von ihm belästigt fühlte.
    »Ich mag Kinder«, erklärte Maril mit seiner rauhen, kehligen Stimme. »Sie reden nie mit zwei Herzen.«
    Ana hob

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