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Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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abgaben, kamen aus allen Richtungen.
    »Sag, hat Esteban ganz Punta Arenas zusammengetrieben, um uns zu überfallen?«, schrie Emilia. Alles in ihr pochte darauf, dass sie sich duckte und schnell wieder im Haus versteckte, bevor sie eine Kugel abbekam. Stattdessen hob sie das Gewehr, umklammerte es und wollte in die Menge schießen. Gewiss, gegen diese Übermacht hatten sie keine Chance – aber wenn sie sterben musste, würde sie so viele wie möglich mit in den Tod reißen.
    Ehe sie den ersten Schuss abfeuern konnte, riss Ana ihr das Gewehr aus der Hand. »Tu das nicht!« Sie schüttelte heftig den Kopf.
    »Was, zum Teufel …«
    »Das sind nicht …«, schrie Ana, aber das Hufgetrampel wurde so laut, dass Emilia nicht hörte, wie Anas Satz endete. Nur Aurelias Weinen drang zu ihr. Und Ritas Stimme, wie sie ganz nah an ihrem Ohr sagte: »Es sind zu viele.«
    Das wusste sie doch selbst! Und gerade deswegen wollte sie …
    Da warf Ana den Kopf zurück und lachte schallend: »Ja, es sind zu viele! Viel zu viele, die gegen Esteban und Jerónimo kämpfen.«
    Emilia fuhr herum und starrte verständnislos die lachende Ana an. Sie musste ihren Verstand verloren haben. Doch dann sah sie, dass auch in Ritas Zügen kein Entsetzen mehr stand, nur Erleichterung, und endlich begriff auch sie: Die Männer, die eben in den Hof geritten kamen und wild um sich schossen, waren keine Feinde. Pedro war darunter, der wuchtige Pedro, der laut brüllte, niemand dürfe seinen Mädchen ein Haar krümmen. Er selbst schoss nicht, wahrscheinlich konnte er nicht richtig zielen, aber er gab seinen Männern Anweisungen. Manch einer hielt nicht nur ein Gewehr in der einen Hand, sondern obendrein eine Pistole in der anderen.
    »Balthasar!«, hörte Emilia Rita rufen, und dann hatte sie ihn selbst erblickt – trotz kurzem Bein wacker auf einem Pferd sitzend und ebenfalls in beiden Händen Waffen. Rauch stieg aus der Pistole, doch er drückte kein weiteres Mal ab – musste es schlichtweg nicht. Einige von Estebans und Jerónimos Männern waren vorhin, als sie die Zäune zerstören wollten, vom Pferd gestiegen. Nachdem ihre Tiere verschreckt davongaloppiert waren, standen sie nunmehr schutzlos einer Übermacht gegenüber. Kurz waren sie völlig erstarrt, dann ließen sie ihre Äxte und Sägen fallen, rannten los und verschmolzen alsbald mit der Dunkelheit der Pampa. Einer trug einen Mann auf dem Rücken und schleppte schwer an ihm – offenbar einem Verwundeten. Emilia konnte nicht erkennen, ob es Esteban oder Jerónimo war, aber sie hoffte, dass einer von den beiden eine Kugel aus ihrem Gewehr abbekommen hatte.
    »Wer«, brüllte Pedro, »wer wagt es, meinen Mädchen etwas anzutun?«
    Seine Stimme ging im Kläffen der Hunde unter, die erst in den Patio stürzten, dann, auf den Befehl eines der Männer hin, die überlebenden Schafe zusammentrieben, die über die kaputten Zäune in die Wildnis geflüchtet waren. Manch eines würde wohl einem hungrigen Puma zum Opfer fallen, andere hatten sich an den zerstörten Zäunen verletzt, doch für die Verluste, die ihnen dieser Überfall gekostet hatte, hatte Emilia in diesem Augenblick keinen Kopf.
    Ana lachte immer noch spöttisch und befreit, und Emilia konnte nicht anders, als es ihr gleichzutun. »Wir sind gerettet!«, schrie sie triumphierend. »Wir sind gerettet!«
    »Balthasar hat tatsächlich Hilfe geholt!«, rief nun auch Rita viel lauter, als sie sonst die Stimme erhob.
    Emilia blieb indes das Lachen jäh im Hals stecken – nicht weil Rita von Balthasar sprach, sondern weil sie jetzt erst sah, wer unter den Männern war, die ihnen zu Hilfe geeilt waren: nicht nur der hinkende Balthasar, nicht nur der dicke Pedro, sondern auch Arthur mit gerötetem, vom Kampf verzerrtem Gesicht und wildem blonden Haar, das im Wind der Steppe wehte.

    Wie erstarrt blickte Emilia auf ihn und konnte eine Weile nichts anderes tun, als ihn anzusehen. Schließlich zwang sie sich, den Blick zu senken, und nahm nur aus den Augenwinkeln wahr, dass auch er sie nun entdeckt hatte und seine Augen über ihre Gestalt huschten. Sie verweilten nicht. Alsbald gab er genau wie sie vor, dass er sie nicht gesehen hatte oder dass es, selbst wenn er es getan hätte, nicht wichtig wäre. Wendig sprang er vom Pferderücken, klopfte Balthasar mit aufgesetztem Lachen auf den Rücken und bückte sich dann, um seinen Hut aufzuheben, der ihm im Eifer des Kampfes vom Kopf geflogen war. Danach sah Emilia erst einmal gar nichts mehr von

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