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Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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hoheitsvoll schwieg.
    Emilia wandte sich wieder an Arthur. »Wenn du die ganze Strecke von Punta Arenas bis hierher geritten bist, dann bist du sicher müde, hungrig und durstig«, sagte sie und versuchte, so gleichgültig wie möglich zu klingen. »Also komm herein und sei mein Gast.«
    Ebenso hoheitsvoll wie Maril Pedros neugierige Blicke über sich ergehen ließ, wandte sie sich ab. Es entging ihr jedoch nicht, dass sich seine Lippen ob ihrer Einladung zu einem Schmunzeln verzogen hatten, und kurz, ganz kurz, glich er dem jungen, abenteuerlustigen, lebenshungrigen Arthur von einst, für den das Leben ein großer Spaß ist und jede Hürde nur ein Spiel.

    Esteban ächzte. Noch nie in seinem Leben hatte er solche Schmerzen gelitten. Vorhin hatte Jerónimo ihn noch aufrichtig besorgt gemustert, doch nachdem er festgestellt hatte, dass die Kugel ihn nur gestreift, nicht getroffen hatte, war sein Mitleid rasch verschwunden. Verächtlich blickte er nun auf ihn herab, doch sosehr er sich auch darum mühte, Esteban konnte sich nicht beherrschen und das Jammern unterdrücken. Ob getroffen oder nur gestreift – er blutete wie ein Schwein am rechten Bein, und jeder Schritt tat höllisch weh.
    »Nun sei doch nicht so eine Memme!«, schimpfte Jerónimo.
    Esteban wusste, dass es nur eins gab, was Jerónimo noch lästiger war als Langeweile: wenn er Schwäche zeigte. Bei Frauen mochte er es, provozierte es sogar – bei Männern duldete er es nicht. Vielleicht hatte es mit seinem Vater zu tun, Felipe Callisto, der sein Vermögen als Reeder gemacht hatte und der nach dem Tod von Jerónimos Mutter den Sohn entweder eingesperrt oder an einem Tischpfosten angebunden hatte, um in Ruhe seinen Geschäften nachzugehen. Zu essen und frische Kleidung hatte er ihm nur gegeben, wenn er nicht weinte.
    Esteban stöhnte wieder. Er war zu kraftlos, um an Jerónimos Kindheit zu denken. Er war sogar zu kraftlos, um auf die verfluchten Weiber zu schimpfen. Er hoffte nur, dass der Schuss, der ihn getroffen hatte, nicht aus Emilias Gewehr stammte, sondern aus dem einer der plötzlich aufgetauchten Männer. Allzu schmählich wäre es, von einer Frau angeschossen zu werden. Schlimm genug, dass ihm die Rothaut einst diese Wunde im Gesicht zugefügt hatte!
    »Ich habe mich von dir zu diesem voreiligen Angriff hinreißen lassen«, murrte Jerónimo. »Aber ich ahnte gleich, dass es ein Fehler war. Wir hätten alles besser vorbereiten müssen.«
    »Die Estancia gehört mir!«, zischte Esteban.
    Angewidert schüttelte Jerónimo den Kopf. »Wenn du wüsstest, wie gleichgültig mir das ist …«
    In ausreichender Entfernung zu der Estancia hatten sie kurz haltgemacht und gerastet. Nun, da das Morgenlicht an den Rändern der Nacht zerrte, erhob sich Jerónimo, um so schnell wie möglich nach Punta Arenas zurückzukommen. Ob Esteban ihm mit seiner Verletzung folgen konnte, war ihm gleich.
    Eigentlich bin ich ihm immer gleich, fuhr es Esteban durch den Kopf. Nur, wenn ich ihm einen Vorschlag mache, wie sich Menschen töten oder quälen lassen, bin ich von Wert für ihn …
    Er war es auch gewesen, der Jerónimo kürzlich davon berichtet hatte, wie viel Schafzüchter für tote Indianer zahlten, und Jerónimo hatte sich mit sichtlicher Begeisterung auf die Jagd nach ihnen gestürzt. Doch im Augenblick schien ihm die Lust darauf gründlich vergangen zu sein, desgleichen wie er nicht länger davon sprach, den Frauen die Estancia wegzunehmen.
    Trotzdem gehört sie mir, dachte Esteban.
    Er wagte nicht länger, es laut zu sagen. Weder wollte er Jerónimo noch mehr erzürnen noch an seinen ohnehin nur spärlichen Kräfte mit sinnlosen Flüchen zehren.

25. Kapitel
    D ie letzten Jahre war Arthur stets so beschäftigt gewesen, dass ihm die Tage auf der Estancia zunächst als willkommene Erholung erschienen. Nun, da er in Ruhe darüber nachdachte, konnte er sich kaum erinnern, wann er nicht nur wenige Tage, sondern gar Wochen an ein und demselben Ort verbracht hatte. Stets war einer Reise die nächste gefolgt.
    Am mühsamsten und längsten waren die Fahrten von Chile nach Hamburg gewesen. Jedes Mal, bevor er in Deutschland eintraf, schwor er sich, diesmal länger zu bleiben und das alte Leben zu genießen, in dem keine Geschäfte zählten, nur hübsche Damen und guter Whisky. Doch jedes Mal war er bald wieder geflohen – nicht zuletzt vor seinem Onkel, der nach dem Tod von Tante Minna um Jahre gealtert schien, dessen Blick auf die Welt so trostlos war und der sich

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