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Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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stellten sie fest, dass der Schlick voller Partikelchen reinen Goldes waren. Seitdem hielt sich hartnäckig das Gerücht, dass es im Süden Amerikas so viel Gold wie einst in Kalifornien gebe und dass überall noch unerforschte Minen brachlagen.
    »Wenn du willst, kannst du dein Glück versuchen, aber glaub mir, mit dem Weißen Gold, der Schafzucht, wirst du reicher.«
    »So reich wie auf Feuerland wird man dieser Tage nirgendwo«, hielt der Mann überzeugt dagegen. »Ein gewisser Julius Popper ist kürzlich dorthin gereist. Er und seine Begleiter sind fast gestorben, weil Indianer sie überfallen haben und sie zu wenig Vorräte dabeihatten. Doch er hat einen Strand entdeckt, auf der Halbinsel El Páramo, und der Sand dort scheint aus purem Gold zu bestehen.«
    »Was gewiss eine Übertreibung ist!«
    »So oder so. Er ist mit jeder Menge Gold zurückgekehrt. Pedro hat sich auch überlegt …«
    Na großartig!, dachte Emilia, tröstete sich allerdings gleich damit, dass man nicht viel von Pedros Flausen befürchten musste. »Eins solltest du wissen«, erklärte sie entschlossen. »Pedro macht nicht immer, wovon er träumt … im Gegenteil. Genau genommen, ist Pedro in den Sachen am besten, über die er nicht schwärmerisch spricht, sondern die er einfach tut.«
    Der Mann zuckte nur mit den Schultern und schwieg wieder, um seine Träume vom großen Reichtum weiterzuspinnen.
    Emilia betrachtete ihn nachdenklich. In einer Sache musste sie ihm recht geben – Gold versprach zurzeit mehr Sicherheit als der Peso. Noch vor zwei Jahren, als in Argentinien der Börsenkurs zusammengebrochen war und sie gefürchtet hatte, dass die gleiche Krise auch Chile treffen konnte, hatte sie überlegt, ihr Vermögen in Gold anzulegen. Sie hatte es schließlich nicht getan, weil sie zu sehr mit den täglichen Aufgaben beschäftigt war – doch nun dachte sie an das Geld, das sie in den letzten Jahren sorgsam gespart hatte. Anfangs war es für die Reise nach Deutschland gedacht – später gab es ihr einfach nur Sicherheit. Den einstigen Traum hatte sie in gleicher Weise zu bändigen versucht wie die Liebe zu Manuel, denn sie hatte sich nicht Tag für Tag vorhalten wollen, was alles in ihrem Leben fehlte. Doch nun, da diese Liebe geschwunden war, wurde eine andere Frage umso lauter: Wollte sie ewig auf der Estancia bleiben und Schafe züchten? Gab es nicht noch anderes, noch mehr zu erleben?
    Je länger ihr das durch den Sinn ging, desto besser verstand sie nun dieses sehnsuchtsvolle Funkeln in den Augen ihres Begleiters – diesen Hunger nach Veränderung, nach neuen Zielen, nach Aufbruch. Allerdings – jetzt musste sie keine Entscheidung treffen. Jetzt galt es erst mal, Arthur zu finden.
    Punta Arenas hatte sich schon wieder verändert. Wie jedes Mal, wenn sie nach längerer Zeit zurückkehrte, stieß sie auf neue Gebäude – billige Holzhütten mit Blechdächern für die armen, protzige Steinpaläste für die reichen Schafzüchter. Die breiten Hauptstraßen waren ebenso überfüllt wie die kleineren Gässchen. Am Hafen drängten sich noch mehr Schiffe aneinander, und kaum ein Plätzchen der Mole war unbesetzt. Jedes Mal dachte Emilia, es könnte nicht noch lauter werden – das Geschrei von Händlern, Hafenarbeitern, Matrosen, Lagerhallenbesitzern –, und jedes Mal wurde sie eines Besseren belehrt. Vielleicht kam ihr die Stadt aber auch nur darum immer lauter und enger und verwirrender vor, weil sie so lange in der Weite der Pampa gelebt hatte.
    Sie trieb ihr Pferd durch die Menge und versuchte, sich an das wilde Treiben – das Stimmengewirr in verschiedenen Sprachen, in denen Geschäfte abgeschlossen oder gestritten wurde, wenn diese nicht liefen – zu gewöhnen. Doch nachdem sie sich Richtung Hafen durchgekämpft hatten, überkam sie jäh die Ahnung, dass die heutige Unruhe keine alltägliche war, die Gesichter vielmehr aufgeregter und sorgenvoller als sonst, die Schreie verzweifelter. Sie sah genauer hin und bemerkte erst jetzt, dass die Menschen nicht wie sonst wirr durcheinanderströmten, sondern es alle zu einem bestimmten Ort am Hafen zog.
    Emilia stieg vom Pferd und sprach den erstbesten Mann an. »Was ist passiert?«, fragte sie.
    Der Fremde antwortete in zwar akzentreichem, aber verständlichem Spanisch. »Haben Sie es noch nicht gehört? Nicht weit vom Hafen entfernt gab es ein Unglück. Ein Schiff ist direkt vor unseren Augen gesunken. Man rückte aus, um die Passagiere zu retten, aber die meisten werden nun

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