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Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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war er zu müde dazu, viel zu müde … Wieder versank seine Welt in Finsternis.
    Als er erwachte, brauchte er einige Zeit, um sich zu orientieren. Er war in der Herberge … diesem stinkenden Drecksloch …
    Wie vorhin hatte er das Gefühl, dass der Schädel ihm platzte, als er sich mühsam erhob, doch seine Füße bluteten nicht mehr. Sämtliche Kratzer waren schwarz verkrustet. Er fluchte, als er endlich stand, und war zugleich erleichtert, wieder Kraft zum Fluchen zu haben. Im nächsten Augenblick blieben ihm sämtliche Flüche im Hals stecken. Seine Mutter lag nicht mehr auf dem Boden. Nur mehr ein dünnes Rinnsal Blut erinnerte daran, dass er sie zusammengeschlagen hatte.
    »Mutter?«
    Kurz packte ihn die Angst, dass sie tot sein könnte, dann sagte er sich rasch, dass sie in diesem Fall hier liegen würde, steif und mit starrem Blick. Aber sie war fort. Er suchte sie in der Küche, der Gaststube, allen Zimmern. Sie war nicht nur fort, sie hatte all ihren armseligen Besitz mit sich genommen. Nur eines hatte sie zurückgelassen: einen Brief für ihn.

    »Sie will bei ihnen leben! Sie will bei diesen verfluchten Weibern leben!«
    Das Schreien schmerzte, aber das brachte ihn nicht zum Verstummen. Könnte er nicht schreien, würde er ersticken. »Sie behauptet, ich hätte sie einmal zu oft geschlagen«, brüllte er, »jetzt würde es reichen, jetzt wäre ein für alle Mal genug. Sie müsse auf sich selbst achten … wie ich überlebte, wäre fortan meine Sache.«
    Die Flamme in seinem Kopf war wieder zerplatzt. Wenn er gekonnt hätte, hätte er noch mal auf Agustina eingeschlagen – aber die hatte ihn schließlich verlassen, und darum wusste er nicht, wohin mit seinem Hass. Das Einzige, was ihm einfiel, war, zu Jerónimo Callisto zu rennen, doch so gut es früher auch immer getan hatte, gemeinsam mit ihm diese Flamme zu nähren, hatte er nun das Gefühl, dass er ganz allein in ihr verbrannte, während Jerónimo auf Abstand blieb.
    In Jerónimo explodierte nie etwas. Jerónimos Blick blieb immer kalt. Er bezog den Glanz seiner Augen nicht aus blinder Raserei, sondern aus der nüchternen Überlegung, wie man anderen am meisten schaden konnte.
    In den letzten Monaten hatte sie genau das entzweit. Dass Esteban ständig über seine Beinwunde oder die verlorene Estancia klagte, hatte ihn schlichtweg gelangweilt. Armut war nichts, was er kannte und was ihn quälte. Auch jetzt geriet sein Blick verächtlich: »Wie siehst du denn aus?«
    »Sie haben mich vertrieben! Sie haben mich durch die Pampa gejagt!«
    »Wer?«
    Trotz der gleißenden Flamme, die an seinen Gliedern nagte, ahnte Esteban, dass es klüger war, nicht fortzufahren und es nicht einfach zuzugeben. Jerónimo hätte niemals gutgeheißen, dass er sich betrunken hatte und ebenso gedanken- wie planlos über Rita hergefallen war. Jerónimo würde wahrscheinlich auch den blinden Hass auf seine Mutter nicht verstehen. Beinahe konnte er seine ausdruckslose Stimme hören. Sei doch froh, dass du sie los bist.
    Jerónimo heckte gerne Ideen aus, wie man Menschen quälen konnte – vom Zustand ihrer armseligen Herberge, die Agustina kaum führen konnte, hatte er dagegen nie hören wollen.
    Esteban biss sich auf die Lippen. Ja, wenn er Jerónimos Hilfe wollte, dann durfte er sich nicht in Selbstmitleid suhlen. Dann musste er ihm vielmehr etwas bieten.
    Er drosselte seine Lautstärke. »Meine Mutter ist abgehauen«, erklärte er leise. »Zu dieser Rothaut, ihrem Bankert und dem Mannweib.«
    »Und nun?«, fragte Jerónimo gelangweilt. »Willst du etwa wieder damit anfangen, dass wir uns die Estancia holen sollen? Ich habe keine Lust, Schafe zu hüten. Und wenn du mit ihnen einen Rechtsstreit führen willst – bitte sehr. Mir jedoch macht das keinen Spaß.«
    »Ach, ich will diese verfluchte Estancia doch gar nicht mehr! Eigentlich habe ich sie nie gewollt! Ich will nur, dass sie leidet.«
    »Wer? Das Mannweib oder die Rothaut?«
    »Beide! Oder eben nur eine von ihnen! Egal! Nur büßen sollen sie!«
    »Und wie?«, fragte Jerónimo gedehnt, aber etwas funkelte in seinen Augen auf.
    Kurz glotzte Esteban ihn verwundert an. Er wusste, was ihn antrieb – dieses verzehrende Feuer, das immer mal wieder in seiner Brust aufloderte. Doch nie war ihm weniger klar gewesen, was Jerónimo anspornte. Wenn ich so reich wäre wie er, ging ihm plötzlich durch den Kopf, ja, reich und gutaussehend – ich wüsste mir die Zeit besser zu vertreiben.
    »Also, wie soll sie büßen?«,

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