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Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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wie man am besten Feuer machte, Fleisch briet oder wer voranritt.
    »Du bist wie ein Guanakoweibchen«, lästerte Arthur einmal, »dieses läuft stundenlang vor dem Männchen davon und bespuckt es, bevor es sich endlich besteigen lässt.«
    »Und weißt du auch, wie die Tehuelche Jagd auf die Guanakos machen?«, gab sie scharf zurück. »Sie warten, dass die Männchen nach der Vereinigung geschwächt sind – und dann greifen sie an. Hörst du? Nur die Männchen werden zur Beute – weil sie so dumm sind, sich fangen zu lassen.«
    »Kein Wunder, dass sie geschwächt sind – bei den anstrengenden Frauen.«
    »Vielleicht bin ich nicht anstrengender als andere Frauen – nur bist du nicht lange genug bei einer geblieben, um Vergleiche anstellen zu können.«
    Manchmal klang ihr Necken verspielt, dann wieder kam ein bissiger Unterton hinzu, nie artete der Streit in Feindseligkeit aus, stets versöhnten sie sich bereitwillig. Ein ernsthaftes Wort aber wechselten sie nie, und Frieden herrschte zwischen ihnen nur, wenn sie die Natur bestaunten oder wenn sie, nachdem sie sich Lust geschenkt hatten, schlaftrunken aneinander gepresst lagen und beide kaum hörbar Bekenntnisse raunten, die tagsüber unmöglich waren: dass sie zusammengehörten, dass sie die Zukunft miteinander verbringen wollten.
    Ungeklärt war allerdings, wie und wo, und manchmal streifte Emilia die Ahnung, dass sie sich nur darum über Nichtigkeiten stritten, um diesen Fragen auszuweichen. Nicht nur vor der Zukunft verschlossen sie dann die Augen – wenn sie stritten, musste Emilia auch nicht über ihre Vergangenheit und Herkunft reden und Arthur wiederum nicht über das, was ihn zwischendurch ungewohnt abwesend und nachdenklich wirken ließ. Emilia rührte nie daran, solange auch er im Gegenzug keine bohrenden Fragen stellte, und verschob es auf später, restlos ehrlich zu sein.
    Und weiter ritten sie durch das Land rund um die Torres del Paine, wurden eines Tages fast vom Wind in einen Wasserfall geweht und lachten hinterher laut, um den Schrecken zu verbergen.
    »Ich hätte nie gedacht, dass das möglich ist!«, rief Emilia.
    »Was? In einem Wasserfall zu ersaufen?«
    »Nein … einfach nur so unterwegs zu sein. Ohne Grund und Ziel.«
    »Wie sehr Balthasar uns beneiden würde«, rief Arthur aus. »Er hat immer so gerne die Bücher von George Chaworth Musters gelesen.«
    »Wer ist das?«, fragte Emilia.
    Er antwortete ihr später, als sie – weit genug vom Wasserfall entfernt und an einem sturmgeschützten Plätzchen – ein Lagerfeuer entfacht hatten. »George Chaworth Musters war Engländer, der in Patagonien mit den Indianern Guanakos gejagt hat. Er nahm ein Jahr Urlaub von der britischen Armee, schiffte sich nach Punta Arenas ein, und dort angekommen, legte er sich ein Lasso und Boleadoras zu. Wie er es sich seit jeher erträumt hatte, ritt er mit den Indianern alte Pfade von Süden nach Norden entlang, und über alles, was er erlebte, führte er Tagebuch. Vor einigen Jahren ist es auf Deutsch erschienen, und Balthasar hat es regelrecht verschlungen … Das war einer der seltenen Momente, da ich gehört habe, wie er auf sein Bein fluchte. Wie gerne würde er nun auch hier sein und zeichnen.« Er zögerte kurz, ehe er bekannte: »Früher habe ich nicht verstanden, was ihm daran liegt, dieses Land zu erforschen, aber jetzt …«
    Er schüttelte den Kopf und schien über sich selbst erstaunt zu sein. Für einen Augenblick standen kein Schalk, kein Spott, kein Trotz in seiner Miene, und auch der übliche Zweikampf schien ausgesetzt, als sie in den türkisgrünen See starrten, der die spitzen Felsenhörner spiegelte.
    Stillschweigend schienen sie die Übereinkunft zu treffen, dass kein Augenblick besser für eine Aussprache taugte als dieser, und als sie erst einmal zu reden begannen, fiel es leichter als erwartet.
    »Ich habe nie ausreichend darüber nachgedacht, was ich tue und warum«, begann Arthur. »Was immer mir in den Sinn kam – dem bin ich nachgegangen. Und ich habe keine Gedanken daran verschwendet, was andere davon halten.«
    Emilia runzelte sie Stirn. »Du klingst, als hätte dir ein Pfaffe ins Gewissen geredet.«
    Er schüttelte den Kopf. »Kein Pfaffe, sondern du. Weißt du …«, er zögerte kurz, fuhr dann aber entschlossen fort: »Du packst dein Leben an. Du stehst so fest auf deinem Platz, als wärst du mit dem Boden verwurzelt. Du fliehst nicht, wenn es schwierig ist. Und bleibst treu bei der Sache, für die du dich

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