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Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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entschieden hast.«
    Sie sagte nichts, aber es lag ihr auf den Lippen, alles abzustreiten. Ja, sie hatte manche Herausforderungen gemeistert, doch es stimmte nicht, dass sie nie geflohen war. Sie war vor der Schande ihrer Geburt davongerannt. Und vor Manuel. Wobei das vielleicht sein Gutes hatte. Dennoch: In gewisser Weise lief sie immer noch fort, sonst hätte sie Arthur längst anvertrauen können, wer nach wie vor den dunkelsten Schatten auf ihre Seele warf – ganz gleich, was Elisa zu ihr gesagt hatte: Viktor und Greta.
    »Ja«, bekräftigte er indes. »Du überlegst, was du willst, und dann tust du es.«
    Wieder lauschte sie ihm zweifelnd. Das mochte für Zäune gelten, die man um die Estancia aufstellte, und für Schafböcke, die es auf dem Markt zu kaufen gab – aber bei anderen Dingen hatte sie sich als nicht ganz so willensstark erwiesen. Um den Traum von Deutschland hatte sie nicht ausreichend gekämpft, hatte dieses Ziel vielmehr vor sich hergeschoben, abgelenkt von anderen Aufgaben oder zu bequem, die tägliche Routine zu ändern. Wann hatte sie in den letzten Jahren überhaupt je innegehalten? Wann die Sehnsucht zugelassen, wild und stark, dass es noch mehr geben müsse als Schufterei?
    »Ich war … ich bin ein Luftikus«, fuhr er fort. »Gewiss brauche ich beides – Abenteuer und Herausforderung. Aber eben nicht nur. Ich will so gerne zur Ruhe kommen! Ich möchte mit dir zur Ruhe kommen!«
    Er rührte sie wie immer mit seiner Ehrlichkeit. Sosehr er sie zur Weißglut bringen konnte und sosehr sie ihm seine vermeintliche Sorglosigkeit manchmal neidete – meist gab er bedenkenlos zu, was er dachte, verschanzte sich nicht hinter Ausreden und Lügen, und dies war der Grund, warum sie ihm vertraute. Es ihm zeigen konnte sie allerdings nicht. »Zur Ruhe kommen! Pah! Wie langweilig!«, spottete sie.
    »Ich dachte, du willst es auch …«, murmelte er hilflos.
    Der Spott in ihrer Stimme erstarb. »Gesetzt den Fall, dass ich es wollte – wie sähe dieses ruhige Leben dann aus?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Bevor wir es beginnen können, muss ich noch etwas klären. In Deutschland.«
    »Geschäfte?«, fragte sie.
    »Auch.«
    Wie so oft in den letzten Tagen versank er in Gedanken. Sie überlegte nachzubohren, entschied sich aber dagegen. Wenn sie ihn nicht nach einem Leben fragte, das nichts mit ihr zu tun hatte – dann würde er auch sie nicht nach dem fragen, was ihr eben durch den Kopf geschossen war.
    »Wenn wir morgen wieder nach Punta Arenas zurückkehren«, fuhr er nach einer Weile fort, »reitest du zurück auf die Estancia, und ich fahre nach Hamburg. Und wenn ich wiederkehre, überlegen wir endgültig, wie es weitergeht.«
    Es war ungewohnt, dass ein anderer Pläne für sie machte, und Emilia verbiss sich nur mit Mühe einen Protest. Die Idee, die ihr so plötzlich gekommen war und zugleich so selbstverständlich erschien, entwickelte sich zu einem handfesten Plan, während sie auf die Berge starrte.
    »Woran denkt du?«, stellte er die Frage, die sie sich eben noch verkniffen hatte.
    »Nichts weiter …«
    »Aber du lachst?«
    Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie tatsächlich lachte – aus Vorfreude auf das, zu dem sie sich in nur wenigen Augenblicken entschieden hatte, ohne Zögern, ohne längere Vorbereitung, sondern mit jener Sturheit und Entschlossenheit, die Arthur gerade an ihr gelobt hatte.
    »Ich lache, weil ich glücklich bin«, sagte sie.
    »Wenn man glücklich ist, lächelt man. Aber du lachst.«
    »Ich zeige mein Glück eben so, wie ich will.«
    »So bist du. Alles muss immer nach deinem Kopf gehen.« Er schüttelte den Kopf. »Aber nun gut, solange ich es bin, der dich glücklich macht, soll es mir recht sein.«
    Trotz des ernsten Gesichts stimmte er in ihr Lachen ein, und dann schwiegen sie wieder, genossen den flüchtigen Frieden genauso sehr wie die Selbstverständlichkeit, in eine gemeinsame Zukunft zu blicken – wie immer diese auch aussehen würde.

    Die Abendsonne schien nicht rötlich, sondern eher bläulich über Punta Arenas, als hätte sich ihre Glut mit der Farbe des glatten Meeres vermischt. Möwen kreischten über ihren Kopf hinweg, als Emilia zum Steamer gerudert wurde, der am nächsten Morgen ablegen würde. Alle Kajüten waren beleuchtet, und im schwindenden Tageslicht glich das Schiff von ferne einem Häusermeer, das mitten aus den Fluten ragte. Emilia konnte sich das Grinsen nicht verkneifen, als das kleine Beiboot den Dampfer erreichte und sie ihn

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