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Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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was du vorhast?«
    Ana war ihr gefolgt. Sie lehnte an der Tür und blickte sie fragend an, doch Rita sagte nichts, sondern legte schweigend ihren Quillango um.
    »Also, was tust du da?«
    »Was schon?«, gab Rita zurück und wich ihrem Blick aus. »Mit Hosen kann ich besser reiten. Und der Quillango wird mich wärmen. Ich weiß, dass Balthasar sich wünscht, dass ich hier auf der Estancia bleibe. Aber … aber ich kann das nicht! Ich kann nicht einfach hier sitzen und warten! Ich werde auch nach Aurelia suchen.« Herausfordernd trat sie auf Ana zu und sah ihr nun offen ins Gesicht: »Oder willst du mich etwa daran hindern.«
    Ana zuckte nur die Schultern, dann stellte sie ruhig fest: »Du hast schon einmal getroffen.«
    Rita zog sie Stirn in Falten. »Was meinst du?«
    »Weißt du es nicht mehr? Als die Estancia belagert wurde, haben wir Schießen geübt – und du hast das Ziel am besten getroffen.«
    Rita nickte langsam. Damals hatte sie das Gefühl gehabt, sie könne nicht noch mehr Angst haben. Jetzt dachte sie, dass alles nicht so schlimm gewesen war – denn Aurelia war bei ihr gewesen. »Wir haben auf Steine gezielt, nicht auf Menschen«, murmelte sie.
    Ana zuckte wieder mit den Schultern, nestelte dann an ihrem Kleid und zog einen Gegenstand unter ihrer Schürze hervor, den Rita zunächst nicht erkannte. Erst als sie ihn ihr in die Hand drückte, sah sie, dass es eine Pistole war.
    »Woher …«, begann Rita.
    »Arthur hat mir diese Waffe einmal übergeben – zu meinem Schutz. Genau genommen, gehört sie sogar Jerónimo …« Ana hielt inne. »Welche Ironie!«, stieß sie dann aus.
    Rita war zu erschöpft, um nachzufragen, was sich seinerzeit zugetragen hatte. Sie wog die Pistole abschätzend in der Hand und versuchte sich dann, mit dem Griff vertraut zu machen. »Wenn du die Gelegenheit bekommst«, sagte Ana leise, »dann verfehle ihn nicht.«
    Rita steckte die Pistole in den Gürtel und drängte sich an Ana vorbei, ohne ihr noch einmal in die Augen geschaut zu haben.
    Auch als sie im Stall das Pferd sattelte, blieb sie nicht lange allein. Mit gesenktem Blick kam ihr Agustina nachgeschlichen. Immer noch bot sie einen erbärmlichen Anblick, aber sie schien mit aller Macht darum zu kämpfen, sich ihre Verzweiflung nicht anmerken zu lassen.
    »Geh zurück ins Haus!«, bellte Rita und erschrak über die eigene Stimme. War das tatsächlich ihre? So scharf, so befehlend? Emilia sprach so, und Ana – niemals sie …
    »Wenn ich … wenn ich erst mit ihm reden könnte …«, stammelte Agustina. »Vielleicht könnte ich ihn zur Vernunft bringen. Ich … ich würde dich so gerne begleiten.«
    Rita blickte die alte Frau zweifelnd an und konnte sie sich nicht auf einem Pferd vorstellen. Allerdings hatte sie es vor einigen Wochen geschafft, auf einem solchen hierherzukommen.
    Rita schwieg und machte sich weiter an dem Sattel zu schaffen.
    »Lass mich mitkommen!«, flehte Agustina wieder. »Ich bitte dich!«
    »Meinetwegen«, gab sie schließlich nach, um kalt hinzuzufügen: »Aber du machst nur das, was ich dir erlaube. Und du flennst nicht.«
    Als sie wegritten, drehte sie sich nicht nach Agustina um, um zu überprüfen, ob sie auch mithielt. Gedanken, die eben noch von Furcht bezwungen worden waren, stürmten auf sie ein: War es ihre Schuld, dass Aurelia verschwunden war? Hatte sie zu wenig auf sie achtgegeben? Sie zu wenig geliebt?
    Früher hatte sie diese letzte Frage oft beschäftigt, doch seit Balthasar in ihr Leben getreten war, hatte sie kaum mehr Gewicht gehabt. Balthasar liebte sie, obwohl sie eine Mapuche war, und sie liebte Aurelia, obwohl sie aus Gewalt hervorgegangen war. Und ob sie nun Aurelia genug liebte oder nicht – in jedem Fall war sie bereit, ihr Leben für sie herzugeben.
    Ungeduldig gab sie dem Pferd die Sporen.

    Aurelia öffnete kaum merklich die Lider. Sie hatte in den letzten drei Tagen die Erfahrung gemacht, dass die Männer sich nicht um sie scherten, wenn sie schlief, und deswegen gab sie meist vor, völlig erschöpft zu sein. In Wahrheit schlief sie so gut wie gar nicht, beobachtete sie ständig aus den Augenwinkeln und wappnete sich vor dem, was sie ihr antun könnten. Immerhin war das bis jetzt noch nichts Schlimmes gewesen. Sie behandelten sie zwar ähnlich roh und achtlos wie ihre Pferde, aber sie hatten sie bis jetzt immer mit allem Notwendigen versorgt.
    Der Mann mit den graublauen Augen hatte noch nie etwas zu ihr gesagt, sondern sie immer nur kalt angegrinst. Der

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