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Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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suchen.«
    Rita lag es auf der Zunge zu widersprechen, doch sie verkniff es sich. »Ja«, murmelte sie. »Ja, mach das. Ich bleibe hier.«
    Eine Weile hielt sie ihr Pferd ruhig auf der Anhöhe, sah zu, wie Balthasar und Pedro mit den farbenprächtig uniformierten Männern in die eine Richtung ritten und Maril in die andere. Nicht mehr lange, dann würde die Abenddämmerung einsetzen, aber noch war der Himmel klar.
    »Was willst du nun tun?«, schrie Agustina gegen das Heulen des Windes an.
    Er wehte so stark, dass Rita das Gefühl hatte, er würde alles aus ihrem Kopf pusten – sämtliche Furcht und Panik und Sorge. Leer war es in ihr, und zugleich gab es so viel Klarheit, wohin sie reiten musste. Sie griff nach ihrem Gurt, wo ihre Pistole steckte.
    »Aurelia«, murmelte sie, »ich spüre, dass sie in der Nähe ist … Ich muss einfach nur folgen …«
    Wie traumwandlerisch gab sie ihrem Pferd die Sporen, ritt auf die einstigen Brutstätten der Shack-Enten zu und drehte sich nicht um, um zu sehen, ob Agustina ihr folgte. Sie wusste, dass sie es tat. Sie spürte es, wie sie auch die Gegenwart der Tochter spürte.

    »Mama!«
    Aurelia sprang auf. Wie so oft hatte sie sich schlafend gestellt, jedoch alles aus den Augenwinkeln beobachtet und plötzlich zwei Schatten am Eingang der Höhle wahrgenommen. Eine Weile standen diese Schatten ruhig, dann kamen sie schleichend näher. Zwar hatten Esteban und Jerónimo vor kurzem die Höhle verlassen, doch wenn sie zurückkehren würden, würde das nicht so lautlos geschehen. Nicht nur ihre Schritte gerieten stets fest – gerade in den letzten Tagen hatten sie oft lautstark miteinander gestritten, und nicht selten war es dabei um sie gegangen.
    Jerónimo sprach öfter davon, dass sie endlich das Balg loswerden sollten, woraufhin dieser Esteban erklärte, er würde kein Kind töten und das hätte nie zum Plan gehört.
    Jerónimo neckte ihn dann mit väterlichen Gefühlen, und Esteban wurde wütend – so sehr, dass er einmal auf Jerónimo losging und in sein Gesicht schlagen wollte. Jerónimo war erst ganz steif dagestanden, hatte sich dann aber blitzschnell bewegt – und sich als der Stärkere herausgestellt. Aurelia hatte nicht genau gesehen, was geschehen war, aber wenig später war Esteban röchelnd am Boden gelegen.
    Nun ist es so weit, hatte sie gedacht, nun wird Jerónimo erst Esteban töten und dann mich.
    Doch Jerónimo hatte sich nur die staubigen Hände an seiner Hose abgeklopft und war zurückgetreten. Die Erleichterung, noch zu leben, währte nicht lange. Aurelia spürte, wie die Feindseligkeit der beiden Männer von Tag zu Tag wuchs – und ahnte, dass sie ihr jederzeit zum Opfer fallen könnte.
    Nun, als diese lautlosen Schatten näher traten, regte sich erstmals seit langem Hoffnung in ihr. Aurelia stockte der Atem, als die beiden Schatten in den Schein des Feuers traten. Nein, es waren nicht Esteban und Jerónimo, es waren nicht einmal Männer, sondern Frauen, und zwar nicht irgendwelche, sondern zutiefst vertraute Frauen: ihre Mutter und die alte Agustina, die sie in der Zeit vor der Entführung oft so intensiv angestarrt hatte, halb traurig, halb hoffnungsvoll, und die ihre gefurchten, zitternden Hände manchmal nach ihr ausgestreckt hatte, um sie zu streicheln. Aurelia war das immer etwas unangenehm gewesen – nun hätte sie sich gerne streicheln lassen, egal von wem, Hauptsache es waren weder Jerónimo noch Esteban.
    Sie riss die Augen auf, sprang hoch und stürzte auf ihre Mutter zu.
    »Mama!«
    Sie warf sich in die weit ausgebreiteten Arme, versenkte ihr Gesicht in der warmen, weichen Brust. Aurelia konnte sich nicht daran erinnern, dass ihre Mutter sie jemals so inniglich umarmt hatte. Ihr Geruch war vertraut, aber ihr Körper wirkte sehr dünn – auch sie selbst fühlte sich nach den vielen Wochen mit der kargen Kost ganz schwach.
    »Mama!«, murmelte sie erstickt.
    Nur schwer konnten sie sich voneinander lösen. Die Mutter strich ihr immer wieder über die Arme, nahm dann ihr Gesichtchen zwischen die Hände, um sie zu mustern. »Aurelia, wo sind die beiden? Wo sind Jerónimo und Esteban?«
    Aurelia zuckte hilflos die Schultern. Trotz der Erleichterung, ihre Mutter zu sehen, war sie so müde, so unendlich erschöpft.
    »Sie haben gestritten … wie so oft … Jerónimo wollte nicht länger hierbleiben. Er sagte, er hätte alles so satt, und Esteban sagte, es wäre doch sein Plan gewesen. Immer lauter haben sie aufeinander eingeredet, und

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