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Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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dann sind sie hinausgegangen, und ich habe die Pferde gehört, und …«
    Die Worte blieben ihr im Mund stecken. Sie zuckte zusammen und fühlte, wie sich die Hände der Mutter um sie krampften.
    Sie hatte es also auch gesehen – gesehen, wie die Flammen des Feuers zuckten und auf einen Luftzug reagierten, der vom Eingang der Höhle stammte. Die Mutter hatte sie noch nicht zur Seite gerissen, als Aurelia etwas hörte – erst einen dumpfen Knall, dann ein klägliches Seufzen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht kippte Agustina plötzlich zur Seite und krachte auf den staubigen Boden wie ein Sack Mehl – nicht mehr fähig, sich nach demjenigen umzudrehen, der auf sie eingeschlagen hatte. Die Mutter öffnete den Mund und schrie auf. Der Mann dagegen lachte – der Mann, dessen Gestalt das Tageslicht abschnitt, der immer näher kam und der nun die Hände sinken ließ, nachdem er Agustina niedergeschlagen hatte. Es war der narbige Esteban, groß und breit. Meist war seine Miene verdrießlich, doch nun verzerrte ein bösartiges Grinsen seine Lippen. Nie hatte er Jerónimo derart geglichen wie in diesem Moment.
    Jetzt erkannte Aurelia auch, womit er Agustina niedergeschlagen hatte – mit einer Pistole, die er nun langsam, aber sicher auf sie beide richtete.
    Sie spürte den Griff der Mutter, wie sie sie am Arm packte, sie hinter ihren Rücken zerrte und mit dem eigenen Körper zu verstecken versuchte. Doch Aurelia konnte nicht anders, als sich zu wehren. Zu lange hatte sie unter groben Griffen stillhalten müssen, nun war die Panik zu groß, um sich nicht zu rühren. Und sie wollte, sie musste doch sehen, was Esteban nun tat!
    Seine Hand zitterte etwas, als er mit der Pistole durch die Luft fuchtelte.
    »Sieh an«, sprach er gemächlich, »die Indianerhure …«
    Die Mutter straffte den Rücken. »Wenn du mich töten willst, Esteban, dann tu’s«, sagte diese mit erstaunlich fester Stimme. »Aber lass mein Kind gehen.«
    Eben noch hatte Aurelia wild um sich schlagen, hatte fortlaufen wollen, nun erstarrte sie. Sie hatte geglaubt, sie könnte sich nicht noch mehr fürchten wie in all der letzten Zeit, doch nun spürte sie, dass etwas Schlimmes geschehen würde. Zwar duckte sie sich hinter dem Rücken der Mutter, aber nicht, um still stehen zu bleiben. Sie musste etwas tun! Sie musste versuchen, dieses Schlimme zu verhindern!
    »Und wenn es mir besser gefallen würde, erst das Kind und dann dich zu erschießen?«, fragte Esteban gedehnt.
    In den letzten Wochen hatte Aurelia den einen oder anderen Stein gesammelt und hatte aus ihrem Kleid Stofffetzen gerissen, um sie als Boleadora zu verwenden. Doch da die Männer sie so gut wie nie allein ließen, hatte sie keine Gelegenheit gehabt, das Wurfgeschoss auszuprobieren.
    Nun, da Esteban langsam noch näher trat, griff Aurelia hastig nach dem erstbesten Stein, der ihr in die Hände kam, stülpte den Fetzen darüber und dachte an Marils Anweisungen. Man dürfe nicht zu viel nachdenken, hatte er gesagt, man müsse die Schleuder einfach ganz schnell kreisen lassen, damit sie nicht schlaff wurde, und das Ziel ganz fest im Auge haben.
    »Ja«, gab sich Esteban selbst die Antwort, »ja, wenn ich es mir recht überlege, würde mir das sogar sehr gut gefallen.«
    Aurelia fühlte den Stoff gar nicht, der sich um ihre Hand wickelte, sah den Stein nicht, der schließlich durch die Luft flog, sah nur Estebans spöttisches Gesicht, das sich jäh verzerrte. Noch als er aufbrüllte, konnte sie kaum glauben, dass tatsächlich sie es gewesen war, die diesen Stein nicht nur abgefeuert, sondern ihn auch damit getroffen hatte. Laut ließ sie den Atem entweichen; sie hatte die ganze Zeit über die Luft angehalten.
    Der Moment der Erleichterung währte nur kurz. Ja, Esteban brüllte, aber er brüllte viel zu laut. Sie hatte ihm keine ernsthafte Verletzung zugefügt, so dass er das Bewusstsein verlor, sondern ihn nur verärgert.
    »Du Miststück!«, schrie er.
    Gleich würde er sich rächen, würde sie packen und sich nicht länger scheuen, sie zu töten; er würde ihr die Kehle aufschlitzen, wie er es so oft angekündigt hatte, oder sie erwürgen oder ihren Kopf an die Wand schlagen.
    Tatsächlich machte er einen Schritt auf sie zu, blieb dann aber stehen, wankte. Sie hatte ihn nicht fest genug getroffen, dass er ohnmächtig wurde, doch nun sah sie, dass er im Schreck seine Pistole hatte fallen lassen und die Mutter im gleichen Atemzug eine eigene Waffe aus ihrem Gürtel gezogen hatte. Langsam

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