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Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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als er sich vor Lachen schüttelte.
    Eine Idee schoss Emilia durch den Kopf, und noch ehe sie die Möglichkeit hatte, darüber nachzudenken und sie mit Rita zu besprechen, entschied sie zu handeln. Sie hatte keine Beweise dafür, dass man diesem Pedro tatsächlich trauen konnte, aber sie fühlte instinktiv, dass die größte Gefahr, die von diesem Walfänger drohte, seine Flöhe und Läuse waren. Und vielleicht auch, dass man sich das Genick brach, wenn er mit seiner Riesenpranke vermeintlich zärtlich über den Kopf streichelte.
    »Wir wollen auch dorthin«, erklärte sie hastig und ignorierte Ritas entgeisterten Blick. »Woher Sie kommen und vielleicht bald wieder fahren … Wir wollen nach Punta Arenas.«
    Wenig später waren sie sich handelseinig. Noch während Emilia Pedro fragte, ob sie mit ihm reisen konnten, hatte sie sich überlegt, was sie zu bieten hatte, und eifrig erklärt, sie könnte gut nähen und kochen. Das eine hatte sie von Barbara gelernt, das andere von Annelie – und wenn sie auch die zwei Dinge nicht so gut wie die beiden beherrschte, so war sie gewiss besser darin als ein Mann wie Pedro el Ballenero. Am liebsten hätte sie ihm auch noch vorgeschlagen, ihm die Haare zu waschen und zu kämmen, aber dieses Angebot hätte ihn vielleicht gekränkt.
    »Wir haben schon seit langem keinen richtigen Koch mehr an Bord«, meinte Pedro und fuhr sich wieder über den Bart. »Der letzte hat die hohen Wellen nicht überstanden.«
    »Ist er von Bord gefegt worden?«, rief Emilia entsetzt, und erst jetzt ging ihr auf, worauf sie sich da womöglich eingelassen hatte: Der Ozean war ihr nicht geheuer, und das, was seinerzeit ihren Traum von Deutschland am stärksten ins Wanken gebracht hatte, war die Angst vor einer Schiffsreise gewesen.
    »Nein«, schwächte Pedro da bereits ab, »aber er war ständig seekrank und wollte wieder festen Boden unter seinen Beinen spüren. Also gut, wenn ihr wirklich nach Punta Arenas wollt …«
    So leicht es war, ihn zu überzeugen – so schwer war es bei Rita. Diese hatte sie mittlerweile losgelassen und rammte ihr jetzt den Ellbogen in den Leib.
    »Bist du verrückt?«, rief sie entsetzt. »Was willst du denn in Punta Arenas?«
    Emilia zog sie ein paar Schritte von Pedro fort, um unter vier Augen mit ihr zu reden. »Dort will ich gar nichts. Aber Punta Arenas ist ein großer Hafen, noch größer als Corral. Viele Schiffe aus und von Europa legen dort eine Rast ein. Die Fahrt nach Punta Arenas ist sozusagen die erste Wegstrecke nach Europa – und wir können sie mit Arbeit bezahlen und das Geld sparen.«
    Rita wollte schon widersprechen, doch gerade als sie den Mund aufmachte, wurde sie von etwas abgelenkt. Emilia fuhr herum. Pedro war seelenruhig stehen geblieben, hielt nun etwas Silbriges in den Händen, was ebenso spitz wie scharf aussah, und fuhr mit den Händen darüber. Es hatte den Anschein, als würde er sich absichtlich in die Finger schneiden wollen.
    Noch ehe Emilia verwirrt fragen konnte, was er da täte, rief Rita – der Angst vor dem riesigen Fremden zum Trotz: »Meine Güte, Sie verletzen sich doch!«
    Erneut schaukelte Pedros wuchtiger Leib vor Lachen. »Von wegen!«, rief er und hielt das Spitze hoch. »Das ist eine Ankertrosse, und ein guter Harpunier lässt ständig eine solche durch seine Finger gleiten, um die Fingerkuppen abzuhärten. So heiß oder so kalt kann nichts sein, dass ich es nicht anfassen kann, so eckig und scharf auch nicht. Kommt ihr nun also mit?«, fragte er.
    Emilia nickte, bevor Rita ihren Einwand vorbringen konnte, und dann hatte sich Pedro schon in Bewegung gesetzt, und sie mussten rennen – das hieß, Emilia rannte und zog die widerstrebende Rita hinter sich her –, um mitzuhalten. Zwar ging er nicht besonders schnell, aber er machte riesige Schritte.
    »Ich weiß nicht, ich weiß nicht …«, murmelte Rita zweifelnd.
    »Nun stell dich nicht so an!«, hielt Emilia entgegen und ignorierte Ritas ängstliches Gesicht ebenso wie die eigenen Zweifel.
    »So, hier sind wir!«, verkündete Pedro nach einer Weile. »Das ist meine Schaluppe!«
    Sie hatten das Wasser erreicht, und Emilia riss die Augen auf, als sie die Schaluppe sah. Schon die Aussicht, auf einem der riesigen Ozeandampfer zu reisen, hatte ihr Angst gemacht – wie sollte sie sich jemals überwinden können, diesen hässlichen Kutter zu besteigen?
    Wenn man ihn sehr wohlwollend betrachtete, glich er mit seinem Groß- und Focksegel und dem zusätzlichen Stagfock

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