Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
Vom Netzwerk:
einem kleinen Segelschiff. Der Bug war hoch, der Achtersteven spitz. Die einstmals rote Farbe war längst abgeblättert, die Nägel, die an manchen Stellen aus den Brettern ragten, rostig. Irgendwann mussten die Segel strahlend weiß gewesen sein, jetzt starrten sie vor Dreck. In der Nähe der Wasserlinie war das Holz von Muscheln und Algen verklebt.
    »Nie und nimmer besteige ich dieses Boot«, murmelte Rita.
    Emilia musste sich auf die Lippen beißen, um nicht zuzustimmen, aber sie hatte sich in den letzten Tagen keinerlei Gefühle gestattet – und so verbat sie es sich auch jetzt. »Nun stell dich nicht so an«, fuhr sie Rita an.
    Pedro war belustigt ihren entsetzten Blicken gefolgt. »Ich weiß, dass mein Freund schon bessere Tage gesehen hat, aber ihr werdet nicht glauben, wie viele Wale ich damit schon gefangen habe!«
    Er betrachtete die Schaluppe liebevoll.
    »Tatsächlich?«, fragte Emilia skeptisch.
    Sie konnte sich nicht vorstellen, dass auf dieser Schaluppe ein ganzer Wal Platz gefunden hätte, doch sie verkniff sich noch mehr zweifelnde Worte, sondern stieß Rita auf das Holzbrett, das die Mole mit der Schaluppe verband.
    Als sie ihr folgte, fiel ihr Blick erstmals auf die Männer, die sich an Deck versammelten. Eben noch hatten sie emsig gearbeitet – nun starrten sie den ungewöhnlichen Passagieren entgegen, die ihr Kapitän da mit an Bord brachte: manche freundlich, manche gleichgültig, einer ziemlich finster. Rita versteifte sich, als sie die Fremden sah, und Emilia musste sie erneut anstoßen, obwohl sie ihr Entsetzen nachfühlen konnte. Ihr war klar gewesen, dass selbst ein so riesiger Mann wie Pedro kein Schiff allein segeln konnte, aber sie hatte gehofft, dass es nur zwei, drei Männer waren, die mit ihm reisten, nicht ein halbes Dutzend. Doch abermals schluckte sie den Zweifel an ihrer Entscheidung herunter.
    »Hört mir alle gut zu!«, rief Pedro hinter ihnen dröhnend. »Diese beiden Frauen …« Er hielt inne. »Wie heißt ihr eigentlich?«
    »Rita und Emilia«, sagte Emilia leise – über sich selbst verärgert, weil ihre Stimme brach.
    »Also, diese beiden Frauen … Rita und Emilia stehen unter meinem Schutz! Ihr seht sie nicht, ihr hört sie nicht, ihr fasst sie vor allem nicht an! Sie werden kochen, flicken und nähen.«
    Der Mann, der am finstersten dreinsah, trat nach vorne und musterte die beiden Frauen ungeachtet Pedros Worten unverhohlen. Er hatte dunkle, verklebte Haare, die ihm so tief in die Stirn fielen, dass sie fast seine schwarzen Augen bedeckten. Seine Haut war zwar gebräunt, aber von Narben übersät, was ihn ungesund aussehen ließ, sein Bart ungleich kürzer als der von Pedro, aber von unregelmäßigem Wuchs. An manchen Stellen klaffte Haut hervor – fast weiße oder rot entzündete.
    »Es bringt Unglück, Frauen an Bord zu haben«, stellte er nach einer Weile gedehnt fest.
    Pedro holte tief Luft, doch ehe er etwas sagen konnte, gab ein anderer die Antwort.
    »Ach was, Esteban! So hübsche Frauen doch nicht!«
    Er lachte, und die anderen stimmten ein. Emilia versuchte herauszuhören, ob das Lachen von Herzen kam oder vielmehr spöttisch klang, konnte es jedoch nicht recht entscheiden. Esteban lachte als Einziger nicht. Er blieb stehen und sah grimmig zu, wie nun Pedro auf das Holzbrett trat – zu Emilias Erstaunen hielt es seinem Gewicht stand – und erst Rita, dann Emilia um die Taille fasste und sie auf das Boot hob. Als seine Pranken sie berührten, hatte Emilia das Gefühl, dass ihr Leib in der Mitte zerquetscht würde, aber wenig später stand sie heil auf der schaukelnden Schaluppe. Zu ihrem Erstaunen verkniff sich Rita einen neuerlichen entsetzten Aufschrei – stattdessen war sie selbst es, die sich plötzlich die Hände vor den Mund schlug.
    »Die Pferde!«, rief sie. »Wir haben unsere Pferde vergessen!« Wenn sie nicht längst gestohlen worden oder fortgelaufen waren, mussten sie irgendwo in der Nähe des Hafens stehen.
    »Darum kümmere ich mich!«, verkündete Pedro und stapfte wieder an Land. Emilia hätte ihm zugetraut, auch ein Pferd leichtfertig hochzuheben und an Bord zu setzen, doch der Kutter war gewiss viel zu klein für die Tiere. Noch schwerer, als darauf zu vertrauen, dass er ihr später das Geld dafür aushändigen würde, fiel es ihr, das Unbehagen zu schlucken, ganz allein mit den fremden Männern auf dem Kutter zu sein.
    Doch zu ihrer Erleichterung gehorchten diese Pedros Befehl, taten so, als würden sie sie nicht länger

Weitere Kostenlose Bücher