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Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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tüchtig.«
    »Aber es sind nicht die Flüchtigen, die wir suchen sollen!«
    »Hauptsache junge Männer«, antwortete ein anderer, »in welchem Zustand sie sind, ob klein, groß, dick, dünn, ist das Problem des Offiziers.« Er wandte sich an Rita: »Mitkommen!«, bellte er, und wieder traf sie eine Woge des fauligen Gestanks.
    Rita glaubte, sich nie wieder rühren können. Auch wenn sie es gewollt hätte – ihr Körper war viel zu starr, um dem Befehl zu folgen, und sie fragte sich unwillkürlich, ob man vor Schreck sterben könnte.
    In Emilia hingegen erwachte die Kampfeslust. Als einer der Männer sie packte, versuchte sie, sich zu entziehen, indem sie erst mit den Händen um sich schlug, dann, als diese festgehalten wurden, mit den Füßen um sich trat.
    »Genug Kartoffeln geerntet«, lachte einer. »Jetzt geht’s in die Armee.«
    »Lassen Sie uns in Ruhe!«, schrie Emilia.
    »Ihr hättet euch rechtzeitig verstecken sollen – jetzt ist es zu spät.«
    Emilia antwortete mit wilden Flüchen, trat wieder um sich und traf das Schienbein eines der Männer, der mit schmerzverzerrtem Gesicht aufschrie. Nun lachte keiner mehr spöttisch. Mit wütender Miene stürzten sich zwei der Soldaten gleichzeitig auf Emilia, die Fäuste drohend gehoben und offenbar willens, ihr einen Schlag in die Magengrube zu versetzen. Emilia versuchte, ihnen auszuweichen, wurde jedoch unbarmherzig gepackt und konnte zuletzt nichts anderes mehr tun, als wild den Kopf zu schütteln. Zu spät bemerkte sie, dass sich dabei das Tuch löste, das sie sich um die langen Haare gebunden hatte. Prompt fielen die blonden Locken über ihren Rücken.
    Die Männer, die eben noch mit Fäusten auf sie losgegangen waren, hielten inne.
    »Lieber Himmel«, stieß einer verwirrt aus. »Was hat der Deutsche nur für lange Haare!«
    Der andere begriff schneller. »Das liegt daran, dass der Deutsche eine Frau ist«, stellte er mürrisch fest.
    Die Blicke, die sie nun trafen, wurden ungläubig. Ehe Rita sich’s versah, wurde auch sie gepackt und ihr die Mütze vom Kopf gerissen. Ihr Haar war nicht blond und lockig, sondern schwarz und glatt, aber ebenfalls fast hüftlang.
    Ein Soldat lachte auf. Es klang wie das Wiehern eines Pferdes.
    »Bis jetzt haben wir immer nur Männer gesehen, die sich als Frauen verkleidet haben, um der Armee zu entgehen!«, rief er. »Dass sich nun auch Frauen als Männer verkleiden, ist neu!«
    »Was für ein Reinfall!«, knurrte ein anderer.
    »Ach was!«, wurde ihm geantwortet. »Gerne verzichte ich auf einen Kameraden, wenn ich mich stattdessen mit einer Frau vergnügen kann.«
    Kurz hatte Rita gehofft, dass die Soldaten von ihnen ablassen würden, sobald die Wahrheit ans Licht gekommen war, doch das Glitzern in den Augen verriet, dass sie sich nun erst recht in Gefahr befanden. Der Zwangsrekrutierung waren sie entgangen – einer anderen Bedrohung jedoch nicht.
    Wieder packte sie die Hand eines Mannes, wieder schrie sie panisch auf. Während Emilia sich weiterhin wehrte und erneut mit Händen und Füßen um sich stieß, konnte Rita nichts dagegen tun, während die Männer sie herumschubsten, spielerisch zuerst, dann immer brutaler, während sich mehr und mehr Hände nach ihr ausstreckten, über ihr Haar strichen, über ihren Nacken, nach ihren Brüsten fassten, an ihrem Hemd zerrten.
    Dass Emilia fluchte und Rita erbärmlich zitterte, schien sie nur noch mehr anzuheizen. Immer schneller wurde sie von einem zum nächsten gestoßen, immer gieriger wurden die Hände. Jetzt, dachte Rita, jetzt werde ich vor Angst sterben … Aber sie starb nicht, wurde nicht einmal ohnmächtig, musste alles ertragen, das Lachen, das Stoßen, das Greifen …
    Unvermittelt fiel ein Schatten auf sie. Die Hände ließen sie so hastig los, dass Rita stolperte und fast auf den Boden fiel. Geistesgegenwärtig griff Emilia nach ihr und hielt sie aufrecht – auch sie war von den Händen der Soldaten befreit.
    »Ihr Halunken!« Die fremde Stimme, die ertönte, war so dröhnend und wuchtig, dass Rita vermeinte, die Erde müsste erbeben. »Ihr Halunken, lasst die Mädchen los und haut ab! Sonst werdet ihr mich kennenlernen!«

    Der Mann, der sie vor den Soldaten rettete, war ohne Zweifel der größte Mensch, den Emilia jemals gesehen hatte. Sie war alles andere als eine kleine Frau, doch sie musste ihren Kopf in den Nacken legen, um in sein Gesicht sehen zu können. Von diesem allerdings war nicht sonderlich viel zu erkennen, denn es war unter einem dicken

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