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Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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der oft so ängstlichen Annelie gelungen war, sich in der Fremde durchzukämpfen, wollte sie ihr in nichts nachstehen. Ja, auch sie würde aus nichts alles machen und aus wenig viel – und sie fing damit an, indem sie sich auf die Suche nach einem Eimer begab und zu ihrer Erleichterung auch einen fand, der durch die kleine Luke passte. Mehrmals ließ sie ihn an einem Strick hinab zum Wasser und befreite damit das karge Mobiliar von der klebrigen Schicht Dreck. Das Meerwasser würde dem ohnehin schon morschen Holz zwar noch mehr zusetzen, und das Salz hinterließ weiße Flecken darauf, doch als sie fertig war, hatte sie wenigstens das Gefühl, sich nicht ständig ducken zu müssen, um nicht irgendwo anzustreifen.
    Nachdem sie notdürftig den Boden gewischt hatte, machte sie sich unter Ritas neugierigen Blicken ans Kochen. Sie schnitt Zwiebel und Speck klein, knetete aus Mehl und Wasser einen Teig und fand zu ihrer Erleichterung noch Öl, um in einem der Blechnäpfe Empanadas zu backen. Jetzt verstand sie auch, woher die klebrige Schicht kam – es war eine Mischung aus Ruß und Fett, weil der Rauch aus dem kleinen Herd nicht richtig abzog. Aber sie entschied, sich vorerst nicht darum zu kümmern, sondern blickte nur stolz auf das erste Gericht, das sie an Bord gekocht hatte.
    Der herzhafte Geruch der Empanadas zog Pedro an, der wenig später in die Kombüse stieg und sich gierig über die Lippen leckte. Er hatte ihnen Decken mitgebracht.
    »Am besten, ihr schlaft hier«, verkündete er.
    Emilia war das nur recht, und sie war vor allem darüber erleichtert, dass Pedro selbst den Männern das Essen brachte und sie sich dem grimmigen Lächeln des finsteren Esteban kein weiteres Mal aussetzen musste. Nachdem Pedro wieder nach oben gestiegen war, teilte sie sich mit Rita schweigend eine Empanada, und der Tag – aufreibend und lang – ging zu Ende, indem die eine weiter Netze flickte und die andere putzte.
    Putzen, kochen und nähen – das bestimmte auch den Rhythmus der nächsten Tage.
    Ständig war Emilia übel, aber es wurde nie so schlimm, dass sie sich übergeben musste. Pedro kam immer mal wieder in die Kombüse und berichtete über die erste Etappe auf dem Weg nach Punta Arenas. Diese führte zunächst von Puerto Edén und dann an einer Gruppe von sechs oder sieben Inseln vorbei, die Emilia von der kleinen Luke aus betrachtete. Die Deserteur-Inseln wären das, wusste Pedro zu erzählen, die Ausläufer des Chiloé-Archipels und zugleich die letzten bewohnten Flecken, bevor man in die trostlosen Weiten des Pazifischen Ozeans vordrang.
    »Sie liegen am Eingang des Corcovado-Golfs, dessen stürmische Buckel jedes vorbeifahrende Schiff zu Bocksprüngen zwingen«, rief er, und als Emilia erbleichte, lachte er dröhnend.
    »Keine Angst!«, rief er wie so oft leichtfertig. »Manche Schaluppe ist hier gekentert, aber mein Schiffchen bring ich heil durch jedes Gewässer.«
    Emilia war sich nicht sicher, ob sie ihm Glauben schenken sollte, da er doch stets zum Prahlen neigte. Immerhin – in einer Sache hatte er nicht übertrieben: Täglich fingen seine Männer Fische und essbare Algen wie Luchen und Cochayuyos.
    Emilia briet sie und fand, dass es scheußlich schmeckte, und auch Rita würgte stets nur ein paar Bissen herunter, ehe sie den Napf rasch wieder von sich schob, aber die Männer schienen sich nicht zu beschweren.
    Wenn sie sich auch schnell an das Essen und sogar an die stürmische See gewöhnte – die Eintönigkeit der Tage setzte Emilia zu. Früher am See hatten sie und Rita so viel miteinander zu reden gewusst. Zwar hatte Rita meist eisern über ihr Leben in der Mission geschwiegen, aber Emilia hatte immer etwas erzählt, und Rita hatte neugierig gefragt. Nun gab es nichts zu erzählen, ohne dass es schmerzte, und die Flucht in Arbeit war das Einzige, was blieb, um das Schweigen halbwegs zu ertragen.
    Während Emilia jede noch so kleine Ritze von Staub und Dreck zu befreien suchte, flickte Rita nicht länger nur Netze, sondern auch manches Kleidungsstück, das Pedro brachte. Mit leicht angewidertem Gesichtsausdruck hielt sie es, so gut es ging, von sich, aber sie tat ihre Arbeit klaglos – und war scheinbar auch ganz froh darüber, dass sie sich von Ängsten und Sorgen ablenken konnte.
    Zunächst hatte sich Emilia in der Kombüse sicher gefühlt, und nichts hätte sie dazu bewogen, sie zu verlassen, doch nach einigen Tagen wurden ihr der stetig gleiche Trott und die Enge unerträglich. Das grimmige

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