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Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Kopf, als sie zur Kochstelle hastete und nach dem Erstbesten griff, was ihr in die Hände fiel.
    Nicht Emilia!, schoss es ihr durch den Kopf. Nicht Emilia!
    Im nächsten Augenblick stand sie neben Esteban – sie wusste nicht, wie sie den Abstand überbrückt hatte –, hob die Hand – und sah plötzlich Blut auf den Boden tropfen. Erst jetzt gewahrte sie, dass sie ein Messer in der Hand hielt, damit auf Esteban eingestochen hatte und dieses, obwohl ziemlich stumpf, einen breiten Schnitt in seinem Gesicht hinterlassen hatte.
    Emilia lehnte keuchend an der Wand und griff sich an den schmerzenden Hals. Esteban brüllte auf wie ein wildes Tier. Nun war es Rita, auf die er losging, und obwohl sie verzweifelt mit dem Messer fuchtelte, war sie sich nicht sicher, ob sie es ein zweites Mal gegen ihn erheben konnte. Schon glaubte sie wieder seine Hände zu spüren, grob und erbarmungslos wie vorhin, doch plötzlich hielt Esteban inne.
    »Was geht hier vor?«, ertönte eine Stimme.
    Als Rita herumfuhr, sah sie Pedro in der Kombüse stehen. Er hatte seine Pranken erhoben, und sein Gesicht war nicht gutmütig wie sonst, sondern dunkel vor Zorn. Prüfend schweifte sein Blick über Rita, und erst jetzt ging ihr auf, dass ihr Hemd zerfetzt und eine ihrer Brüste zu sehen war. Das Messer entglitt ihr, als sie zitternd nach dem Stoff fasste und ihn hochzog.
    Immer noch tropfte Blut von Estebans Gesicht. Die Wunde klaffte zwar nicht sonderlich tief, aber der Schnitt war sehr lang und reichte vom Kinn bis zum Auge.
    »Diese verdammten Weiber!«, schrie er sich seine Wut aus dem Leib – ohnmächtige Wut. »Ich wusste sofort, dass es nicht gutgehen kann, wenn sie aufs Schiff kommen! Sieh nur, was sie mir angetan haben! Wirf diese Furien von Bord!«
    Langsam ließ Pedro seine Pranken sinken. Immer mehr Männer wurden vom Geschrei angelockt und kamen hinunter in die Kombüse gelaufen. Dort hielten sie inne und musterten erst Esteban, dann Rita, zuletzt Emilia.
    Trotz der roten Male, die Estebans Hände an ihrem Hals hinterlassen hatten, konnte diese reden. »Du hast uns deinen Schutz versprochen, Pedro«, brachte sie heiser hervor, »doch dieses Ungeheuer wollte sich an meiner Freundin vergreifen.«
    »Pah!«, machte Esteban. »Sie ist doch nichts weiter als eine Indianerhure! Eine Rothaut!«
    Pedros Blick löste sich von Rita. »Beim nächsten Hafen legen wir an«, verkündete er, erstmals so leise, dass seine Stimme nicht wie üblich dröhnte.
    Estebans Gesicht verzerrte sich, diesmal nicht vor Schmerz, sondern weil er grinste. »Gut so«, rief er spöttisch. »Dann sind wir endlich wieder unter uns.«
    Eine Weile betrachtete ihn Pedro schweigend. »Nicht sie werden gehen, sondern du«, sprach er dann, erneut bedrohlich leise. »Ich kann keinen auf meiner Schaluppe brauchen, der meine Befehle missachtet.«
    Esteban zuckte zusammen und riss seine kleinen Augen auf. So fassungslos war er, dass er den Schmerz seiner Wunde nicht länger zu bemerken schien. »Wie?«, entfuhr es ihm. »Du stellst eine Indianerhure über mich? Wir fahren seit langen Jahren gemeinsam zur See – und eine verfluchte Rothaut ist dir mehr wert als ich?«
    Ein Zittern lief über Pedros Körper und bekundete, dass in ihm, gleichwohl er sich beherrscht gab, ähnliche Wut brodelte wie in Esteban. »Das hätte ich schon viel länger tun sollen«, knurrte er. »Du warst von Anfang an ein Unruhestifter. Und du hast immer zu den Faulsten gehört.«
    So langsam, wie er sich stets bewegte, wandte er sich ab. Esteban nutzte diesen Augenblick, um auf ihn loszustürmen – so blind vor Wut, dass er nicht daran dachte, um wie viel kleiner und schmächtiger er im Vergleich zu Pedro war. Als er ihn fast erreicht hatte, fuhr Pedro herum und erhob aufs Neue drohend die Pranken. Erst jetzt konnte Esteban seine Wut bezwingen und wich ebenso verwirrt wie ängstlich zurück.
    »Noch ein Wort, Esteban!«, dröhnte Pedro. »Noch ein einziges Wort, und du wirst fortan nicht mit einem blutigen Schnitt im Gesicht herumlaufen, sondern mit deren zwei.«

    Esteban fluchte, solange er noch auf der Schaluppe war, und noch mehr, nachdem man ihn abgesetzt hatte. Es war das erste Mal seit Corral, dass die Schaluppe an Land angelegt hatte. Zunächst war sie geräuschlos auf ein Tangbett geglitten, dann waren einige der Männer in das hüfthohe Wasser gesprungen, um sie auf den trockenen Sand zu ziehen. Emilia beobachtete alles von Deck aus und sah in der Ferne die Rauchsäulen, die von einem

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