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Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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wer ihre Eltern waren – sie lebte, und sie wollte weiterleben, und wenn sie mit Kochen oder Putzen beschäftigt war, dann war sie guten Mutes, dass es ihr auch gelingen würde. Doch als sie nun in Ritas verstörtes Gesicht blickte, so war sie sich sicher: Sie konnte vor dem Schmerz, Manuel, ihre Heimat und ihre Familie verloren zu haben, davonlaufen, aber gänzlich abschütteln würde sie ihn nie können. Er würde jeden Tag ihres restlichen Lebens verdunkeln – in gleicher Weise wie Rita ihre Angst, dass man in ihr eine verfluchte Rothaut sah, niemals loswerden würde.

8. Kapitel
    D ie Fahrt nahm ihren Lauf, und obwohl Rita weder Esteban noch das, was er ihr anzutun versucht hatte, erwähnte, hatte das Ereignis Spuren hinterlassen. Ohnehin schweigsam, sprach sie nun noch weniger, wirkte fahrig und weggetreten, und nachdem sie sich anfangs zielstrebig auf die Näharbeiten gestürzt hatte, ertappte Emilia sie nun oft dabei, diese unfertig liegen zu lassen und stattdessen in ihrem Buch zu lesen. Emilia stellte sie nie zur Rede, sondern überließ Rita dem Reich der Phantasie und ging immer häufiger an Deck, um sich die trüben Gedanken vom heftigen Wind wegwehen zu lassen. Die Männer, die sowieso immer Abstand gehalten hatten, scheuten nach dem Vorfall mit Esteban ihre Nähe noch mehr. Nur Pedro gesellte sich gern zu ihr und berichtete ihr über die Route, die sie nahmen.
    Zügig ging es nun auf die Magellanstraße zu, und kurz bevor sie sie erreichten, wurde die See wieder unruhiger. Auf dem Pazifik schien sich jede Welle in Erwartung des Atlantiks aufzubäumen, ehe er sie auf den ersten Meilen des San-Juan-Kanals mit lautem Tosen verabschiedete. Während zunächst noch jede Fuge des Schiffs krachte, folgten in einer der kleinen, verwinkelten Wasserstraßen völlige Flaute und Totenstille. Sosehr sich Emilia nach ruhigeren Gefilden gesehnt hatte – nun war es ihr beinahe unheimlich, wie lautlos das Schiff über das glatte, pechschwarze Wasser glitt, als würde es dieses kaum berühren, sondern sanft darüber hinwegschweben.
    Krächzende Raben flogen knapp an ihren Köpfen vorbei, schossen dann und wann in die Tiefe und taten sich an toten Robben gütlich, die im Wasser trieben. Noch lauter als ihr Rufen war das Kreischen eines Möwenschwarms, der sich Sardinen aus dem Meer holte. Von den Nistplätzen der Kormorane wehte Fischgestank.
    Nach dem ersten Tag in der Magellanstraße entschied Pedro, einen Landgang einzulegen. Er mochte ein leidlicher Walfänger sein, aber er konnte die Schaluppe mühelos durch die Strömungen navigieren und er erkannte auf den ersten Blick gute Ankerplätze.
    »Was gar nicht so einfach ist!«, prahlte er mit dieser Fähigkeit. »Es ist sogar sehr gefährlich, hier zu ankern. Unter dem Seetang verbergen sich so viele Riffe – die Stiele der Pflanzen sind Dutzende Meter lang.«
    Wie so oft wusste Emilia nicht, ob er übertrieb oder die Wahrheit sagte.
    »Aber wenn man so erfahren ist wie ich«, fuhr er fort, »weiß man, worauf es zu achten gilt. Am besten, man hört auf die Seehunde. Die hocken auf den Felsen, und wenn ihr Heulen zu laut wird, weiß man, dass man gefährlich nahe an einen herangekommen ist.«
    Wenig später legten sie in der Nähe eines der sanft ansteigenden Hänge, der in einem Sandstrand auslief, an. Pedros Männer vertrauten dem Anker nicht, sondern suchten nach Bäumen, an denen sie zusätzliche Seile befestigten. Emilia blickte sehnsuchtsvoll auf das Land, blieb jedoch auf der Schaluppe – sie wollte weder durch die hüfthohen Fluten waten, um den Strand zu erreichen, noch Rita allein lassen. Nachdem die Männer die Schaluppe verlassen hatten, überredete sie sie immerhin, einmal an Deck zu kommen – das hieß: Sie überredete sie nicht, sondern zwang sie mit der Drohung, ihr ansonsten das Buch wegzunehmen und in die Fluten zu werfen.
    Ritas Blick blieb ängstlich, doch ihre Wangen begannen sich zu röten, und obwohl sie es nie zugegeben hätte, wie eng auch ihr manchmal die Kombüse wurde, streckte sie sich nun begierig dem Lüftchen entgegen, das sich nach der Flaute regte.
    Sie ankerten bis zum nächsten Morgen, dann ging es weiter, jedoch in einem ungleich langsameren Tempo als auf dem Ozean. Auch wenn die Flaute zu Ende war – die vielen Sandbänke und Inselchen erschwerten die Fahrt. Auf manchen war die Vegetation so üppig, dass die langen Zweige des Waldes – Eichen, Magnolien, Zypressen und Oleander wuchsen wild durcheinander – das Meer

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