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Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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verdunkelten. Andere Fleckchen Land waren nur von Moos und Flechten oder schwarzem Gesträuch, dem Mata Negra, bedeckt.
    »Völlig nutzlos«, murmelte Pedro, als er darauf deutete. »Die Zweige sind entweder hohl oder schwammtrocken, die Rinde porös wie Kork. Mata Negra gedeiht gut, aber brennt schlecht. Lodernde Asche bringst du damit zustande, keine wärmende Flamme.«
    Dunkelgrau zeigten sich die einen Inseln und glichen totem, verbranntem Land – auf anderen standen im satten Grün die Südbuchen und Canelos, und an vielen kleinen Schlingpflanzen wuchsen rote Blüten. Pedro schien jede Insel, jede Bucht, jedes Riff zu kennen: Lange bevor sie daran vorbeikamen, wusste er schon zu berichten, was sie hinter der nächsten Biegung erwarten würde, und Emilia ließ sich gerne alles darüber erzählen.
    So wuchsen Vertrauen und Nähe zwischen ihnen, und eines Tages konnte Emilia Pedro sogar dazu überreden, sich von ihr den Bart stutzen zu lassen. Er willigte nur unter der Voraussetzung ein, dass sie sein verfilztes Haupthaar in Ruhe lassen würde. Kaum hatte er zugestimmt, gab er sich mit üblicher Dramatik seinen Ängsten hin, so dass ein Fremder hätte meinen können, dass mindestens die Amputation eines seiner Gliedmaßen bevorstehen würde. Irgendwann konnte sich Emilia nicht verkneifen, trocken zu erklären: »Keine Angst, du wirst keine Narbe wie Esteban davontragen. Schließlich schneide ich die Haare, nicht Rita.«
    Pedro lachte auf, aber Rita zuckte zusammen. Wenn Emilia dieses schmale Mädchen musterte, fragte sie sich, wie es ihr überhaupt je gelungen war, gegen Esteban das Messer zu führen. Mit dem gleichen Messer – Rita blickte sehr ängstlich darauf – begann Emilia, Pedros Bart abzuschaben.
    Obwohl er viel und gern redete, schwieg er in dieser Stunde eisern, befürchtete er doch, sie könnte ihn ansonsten schneiden. Danach fuhr er sich nachdenklich über das Gesicht, dessen Züge Emilia zum ersten Mal genauer betrachten konnte – seine Nase glich einer runden Knolle, seine Lippen waren fleischig und breit –, und konnte nicht entscheiden, ob er mit dem Ergebnis der Rasur zufrieden sein sollte oder nicht.
    Um sich davon abzulenken, fragte er schließlich: »Was habt ihr eigentlich in Punta Arenas vor?«
    Emilia wusste mittlerweile, was er plante – er und seine Männer würden wie immer Muscheln, Seesterne und Fische verkaufen, was gerade mal genug einbrachte, um einen kargen Lohn auszuzahlen, etwas Proviant und vielleicht neue Netze zu kaufen, und dann würden sie wieder zurück nach Corral fahren, von Unrast und Abenteuerlust getrieben, die sie nie lange an ein und demselben Ort verweilen ließ. Bei ihr hingegen traf er einen wunden Punkt. Nach der überstürzten Flucht aus der Heimat hatte sie sich an ihrem Traum von Deutschland aufrechtgehalten und war auch weiterhin entschlossen, dorthin zu reisen, aber sie hatte keine Ahnung, wie sie das Geld dafür zusammenbringen sollte. Sosehr sie sich nach festem Boden unter den Füßen sehnte – insgeheim genoss sie es, auf der Schaluppe wie in einer Art Niemandsland zu leben, wo es nur galt, den jeweils nächsten Tag heil zu überstehen, nicht aber sich über die ferne Zukunft den Kopf zu zerbrechen.
    Sie zuckte die Schultern, und als er die Frage wiederholte, lenkte nun auch sie davon ab. »Erzähl mir doch von dieser Stadt! Ja, erzähl mir von Punta Arenas!«
    Das ließ sich der geschwätzige Pedro natürlich nicht zweimal sagen, sondern begann bereitwillig und ausufernd zu reden.
    Punta Arenas, so erfuhren Emilia und Rita an jenem Nachmittag, war eine junge Stadt: Sie war erst vor vier Jahrzehnten auf dem Grund des ehemaligen Port Famine, einem vorzüglichen Ankerplatz, gegründet worden. In den ersten Jahren hatten nur ein Gouverneur dort gelebt, eine Handvoll Soldaten und die Gefangenen einer Strafkolonie, die man weit entfernt von jeglicher Zivilisation eingesperrt hatte. Erst unter dem Gouverneur José Santos Mardones, der sich dafür eingesetzt hatte, dass die ersten Siedler hierher aufbrachen, war ein bisschen mehr Leben an diesen von Gott und der Welt verlassenen Ort eingekehrt. Das Leben dieser Siedler war hart. Sie hatten mit ähnlichen Anfangsschwierigkeiten zu kämpfen wie einst die deutschen Kolonisten, die sich um den Llanquihue-See niedergelassen hatten: Versprochene Lebensmittellieferungen aus Chile blieben aus; es dauerte Jahre, bis der karge Boden erste Ernten hervorbrachte. Zu allem Übel rotteten sich die Strafgefangenen

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