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Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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erste Name, der ihr einfiel.
    Rita hörte vor lauter Schreck zu weinen auf.
    »Ernesta Villan?«, schrie sie entsetzt. Es war das eine, über deren Ohrringe zu spotten, etwas anderes, mitten in der Nacht bei ihr Schutz suchen zu wollen. »Denkst du etwa, wir sollen für sie arbeiten?«
    Der Schreck, den sie ihr versetzt hatte, hatte immerhin sein Gutes. Rita hörte zu schluchzen auf.
    »Ja«, sagte Emilia barsch, um dann etwas freundlicher hinzuzufügen: »Aber keine Angst. Wir werden nicht als Huren für sie arbeiten. Ganz gewiss nicht. Ich habe eine bessere Idee.«
    Sie zog Rita zurück zur Hauptstraße und dann in die Richtung, in der sie Ernestas Bordell vermutete. Nun kamen sie doch noch an den Hafen, wo die Schiffsmasten wie ein schwarzer Wald vor ihr aufragten. Sie versuchte, nicht an ihren Traum von Deutschland zu denken, nicht an Manuel oder Annelies gemütliche Stube, aber plötzlich sah sie das Geld ganz deutlich vor sich – das viele Papiergeld, das sie so mühsam erarbeitet und zusammengespart hatte.
    Alles war umsonst gewesen.
    Sie schluchzte trocken auf, ballte die Hand zur Faust, so dass ihr die Nägel spitz ins Fleisch stachen, und hob sie drohend ins bleiche Mondlicht.
    »Verflucht sollst du sein, Esteban Ayarza!«, verkündete sie heiser vor Ärger. »Verflucht, verflucht, verflucht! Du Dieb, du elender Dieb!«
    Sie grub die Nägel ins Fleisch, bis sie warmes Blut spürte, dann entspannte sie sich etwas und ließ die Faust wieder sinken. »Aber denke nicht, dass ich mich unterkriegen lasse«, murmelte sie. »Nicht von dir. Ganz gewiss nicht von einem Schuft wie dir. Wir werden uns auch weiterhin durchbringen … irgendwie.«

Zweites Buch
    Casa Emilia
1884–1885
    11. Kapitel
    HAMBURG
    A rthur Hoffmann versuchte, sich langsam aufzurichten, ohne die Frau zu wecken, die auf seiner Brust eingeschlafen war.
    Im Halbschlaf stöhnte sie matt. Eben noch hatte sie schrille Lustschreie ausgestoßen, doch er war sich nicht sicher, ob sie tatsächlich aus tiefstem Herzen gekommen oder einfach nur Theater gewesen waren.
    Arthur wusste, wie man Frauen verführte, aber er hatte noch nicht herausgefunden, wann sie logen oder nicht. Koketterie, Schwärmerei, Necken und Locken – das war ein Labyrinth, das ihn magisch anzog und in dem er sich immer wieder verirrte.
    Er strich ihr eine Locke aus dem Gesicht und stellte fest, dass ihr Haar nicht braun war, wie er eben noch gedacht hatte, sondern rot.
    »Ach Pauline …«, raunte er ihr ins Ohr.
    Ruckartig fuhr sie hoch. War es etwa auch gelogen, dass sie tief und fest schlief? »Pauline?«, wetterte sie wie ein Rohrspatz. »Ich heiße Martha!«
    Er lächelte beschwichtigend. »Natürlich heißt du Martha«, sagte er schnell. »Aber für mich bist du Pauline. Der Name passt besser zu dir.«
    Skeptisch runzelte sie ihre Stirn und wirkte gleich viel älter. »Und wie viele Paulines hattest du schon im Bett?«, fragte sie nunmehr schmollend.
    Arthur verstärkte sein spitzbübisches Lächeln. »Zumindest bist du die erste Martha.«
    Sie löste sich endgültig von ihm und erhob sich. Hastig griff sie nach dem Morgenmantel und verhüllte ihren üppigen, etwas aufgedunsenen Körper. »Alphons kommt bald wieder«, sagte sie, ohne ihm ins Gesicht zu sehen.
    Wer war Alphons?, wollte er schon fragen, ehe es ihm wieder einfiel.
    Alphons war der Ehemann. Pauline … nein, Martha war nämlich verheiratet. Verheiratete Frauen boten viele Vorteile. Sie waren nicht ganz so romantisch wie junge Mädchen, leichter zu verführen, anschließend diskreter und was das Wichtigste war: Sie kündeten nicht gleich ihren Selbstmord an, wenn man sie verließ. Dafür drohte Gefahr von eifersüchtigen Ehemännern, die ihre Ehre gerne mit der Pistole verteidigten. Genau genommen, wären Witwen die beste Wahl gewesen – hatten sie doch die Vorzüge verheirateter Frauen, aber keine lästigen Gatten zu bieten –, doch die waren meist alt oder trugen Schwarz oder beides.
    »Ach, meine Süße …«, setzte er an. Behaglich wollte er sich ausstrecken. Eigentlich hatte er gehofft, die Nacht hier zu verbringen und sich erst am Morgen mit einem Kuss zu verabschieden – natürlich für immer. Doch nicht nur Paulines, nein Marthas ängstliches Gesicht alarmierte ihn – auch das Steinchen, das plötzlich gegen das Fenster prallte.
    Er konnte sich denken, wer es geworfen hatte und warum: Balthasar, sein treuer, guter Freund Balthasar, der in solchen Nächten häufig Wache stand, ihn rechtzeitig

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