Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
Vom Netzwerk:
aufgewachsen waren.
    »Ich weiß nicht …«, stammelte sie wieder.
    »Du vertraust mir doch, oder etwa nicht?«
    Sein Blick, eben noch strahlend, wurde traurig, das Graublau seiner Augen dunkler. Am wenigsten konnte sie ertragen, wie sich seine Mundwinkel nach unten zogen.
    »Aber natürlich vertraue ich dir!«, stieß sie aus.
    Sie erbebte, als er ihre Hand nahm und sie nicht mehr losließ. Langsam schritten sie auf das Portal zu, er öffnete es und führte sie über die Schwelle.
    »Lebst du hier?« Ihre Frage war kaum lauter als ein Hauch, doch er gab keine Antwort darauf.
    Unsicher und zugleich neugierig blickte sie sich um. Die Halle, die sie betraten, war so riesig, dass die Gaststube ihrer Herberge gewiss mehrmals hineingepasst hätte. Ihre Schritte hallten auf dem glatten, sauberen Stein. Von der Halle führte eine Treppe nach oben, die mindestens so breit wie die ganze Casa Emilia war. Als Rita die ersten Stufen hinaufging, wuchs ihr Unbehagen. Sie erwartete in einem solch großen Haus jede Menge Dienstboten, doch weit und breit war niemand zu sehen; die einzigen Geräusche, die sie vernahm, waren ihr und Jerónimos Atem, das Pochen ihres Herzens und die Schritte, die nicht mehr so laut hallten wie in der Halle, sondern von einem Teppich gedämpft wurden.
    »Sind wir … sind wir ganz allein?« Sie ärgerte sich, dass ihre Stimme zitterte.
    »Oh, ich weiß, es mag unschicklich sein!«, rief Jerónimo aus, um sogleich verschwörerisch raunend fortzufahren: »Aber ich dachte mir … wenn wir doch bald Mann und Frau sind …«
    Er drückte ihre Hand.
    Rita glaubte, ihr Herzschlag müsste aussetzen. Hatte er ihr eben einen Antrag gemacht? Sprach er davon, dass er sie heiraten würde?
    Heiß stieg es ihr ins Gesicht. Er wollte sie tatsächlich. Er wollte sie zur Frau. Auch wenn sie darauf gehofft hatte, dass all ihre Treffen, all seine Komplimente darauf hinausliefen, hatte sie nie die Sorge losgelassen, er würde ausführlicher nach ihrer Vergangenheit fragen. Und auch wenn sie ihm ihre Herkunft verschweigen konnte – so gewiss nicht die Tatsache, dass sie ein nahezu besitzloses Mädchen ohne Eltern war, das nicht hierher passte, nicht in diese riesige Halle, diese steinernen Wände, diese breite Treppe.
    Wenn wir doch bald Mann und Frau sind  …
    »Mann und Frau?«, echote sie.
    »Du heiratest mich doch, oder?«, beschwor er sie.
    Sie konnte nichts sagen, konnte nicht einmal mehr einen Schritt machen. Da hob er sie einfach hoch, trug sie in Windeseile über die nächsten Stufen, und auch als sie in der ersten Etage angekommen waren, ließ er sie nicht los. Mit seinem rechten Fuß stieß er eine Tür auf. Das Zimmer dahinter war kleiner als die Halle, im Vergleich zu ihr sogar nahezu winzig, aber die Wände waren frisch gekalkt, der Holzboden duftete harzig, und das Bett, zu dem Jerónimo sie brachte, war weich. Als er sie dort hinlegte, versteifte sie sich. Warum war nichts weiter als ein Bett in diesem Raum? »Natürlich!«, stotterte sie. »Natürlich … heirate … ich … dich!«
    Sie wollte sich aufrichten und aus dem Bett steigen, doch er setzte sich zu ihr und küsste sie, zuerst auf die Stirn, dann auf die Wangen, zuletzt auf den Mund. Sein dünner Bart kitzelte sie, die schmalen Lippen hingegen fühlte sie kaum; sie fühlte nur die Wärme seines Körpers, die ihr Denken aushöhlte. Rita wurde schwindlig, schloss die Augen.
    »Margarita … meine Margarita!«
    Oft hatte sie sich gefragt, warum ausgerechnet sie das Massaker der Mission überlebt hatte. Jetzt wusste sie es. Sie hatte für ihn weiterleben müssen – für diesen Mann, der sie liebte, für diesen Mann, der sie für eine Spanierin hielt.
    »Komm, lass uns darauf anstoßen!«
    Sie hatte kaum bemerkt, dass er sich von ihr gelöst hatte und sich nun zu einem kleinen Tischchen wandte; das Bett war also doch nicht das einzige Mobiliar, wie sie auf den ersten Blick gedacht hatte. Eine Flasche stand dort und zwei Gläser. In eines schenkte er eine sämige, dunkle Flüssigkeit.
    »Was ist das?«, fragte sie, nachdem er ihr das Glas gereicht hatte.
    »Etwas Zuckerrohrschnaps. Er ist sehr süß, er wird dir schmecken.«
    Sie verzog das Gesicht, als sie daran roch. »Ich bin mir nicht sicher …«
    »Ich bitte dich! Mach mir die Freude!«
    Er lächelte sie strahlend an, seine Augen funkelten.
    Da setzte sie rasch das Glas an ihre Lippen und schüttete es hinunter. Das Gesöff schmeckte tatsächlich so süß, wie er gesagt hatte, aber

Weitere Kostenlose Bücher