Jenseits von Feuerland: Roman
musterten, flink und gierig. Wie hatte sie diesen Blick jemals für warm und liebevoll befinden können? Das Bild verschwamm in Tränen.
»Und jetzt heult sie auch noch wie ein Säugling!«, rief Esteban verächtlich.
Mit aller Gewalt hob sie ihre Hand, doch sie war nicht stark genug, Esteban wegzustoßen. Kraftlos sank die Hand wieder neben ihren Leib. Nun konnte sie nichts anderes mehr, als die Augen zuzupressen, während er an ihren Kleidern riss und sich auf sie legte.
»Bitte … bitte nicht …«, keuchte sie.
»Halt den Mund!«, schrie er sie an. »Wenn du auf der Schaluppe nicht diesen Aufstand gemacht hättest, hättest du’s längst hinter dir. Du und deine dreiste Gefährtin – ihr hättet einfach verschwinden sollen, als ich euch hinausgeworfen hab. Und was macht ihr? Eröffnet eine eigene Herberge! Meine Mutter hat seitdem kaum noch Gäste!«
Sie wusste, dass es keinen Sinn hatte, dennoch strampelte sie mit den Beinen, als er ihren Rock höher schob. Prompt gruben sich rauhe Hände in ihre nackte Haut, nicht die von Esteban, sondern die von Jerónimo. Er packte sie an den Fesseln und zog ihre Schenkel gewaltsam auseinander. Esteban dagegen nahm ihre Hände und hielt sie über dem Kopf zusammen. Vollkommen bewegungslos war sie jetzt, konnte nur mehr den Kopf hin und her wälzen … konnte den Mund öffnen und ihn anspucken. Ob sie ihn getroffen hatte, wusste sie nicht. Im nächsten Augenblick sauste Estebans freie Hand auf sie herab und schien ihr den Kopf zu spalten. Sie heulte auf, doch dieser Schmerz, gleißend wie ein Blitz, war unbedeutend im Vergleich zu jenem, als er seine Hosen öffnete, seinen Körper auf ihren fallen ließ, sein hartes Geschlecht in sie rammte. Rita war sich sicher – sie würde diese Stunde nicht überleben.
Doch sie starb nicht, wurde nicht einmal ohnmächtig. Sie spürte es … spürte alles: Wie Esteban sich wieder und wieder in sie schraubte, sich in ihr ergoss, wie er kurz von ihr abließ, aber nur, um mit Jerónimo die Position zu tauschen. Dann war der an der Reihe, sich ihrer zu bemächtigen, genauso roh, genauso brutal.
Ihr Wimmern war längst verstummt, und sie ließen immer noch nicht von ihr ab. Ihre Lippen waren blutig gebissen, warm tropfte es bis zu ihrem Kinn, verkrustete dort. Hinter ihren zusammengepressten Augen nahm sie nur mehr Schatten wahr. Sie war nicht mehr fähig, die beiden zu unterscheiden, musste sie nur wieder und wieder auf ihr und in sich erdulden, aller Hoffnung bar, dass sie endlich genug hätten und sie freigaben.
Irgendwann war es doch vorüber. Sie fühlte, wie sie sie aus dem Haus schleiften, einige Straßen weitertrugen, sie schließlich blutend in der Gosse liegen ließen. Erst als sie gegangen waren, höhnend und lachend, verlor sie das Bewusstsein.
Balthasar hielt sein Gesicht ins Abendlicht; die Sonne war zwar blass und nicht mehr warm, aber sie zeichnete ein rötliches Wolkenspiel auf den Himmel, dessen Weite mit der des Meeres verschmolz. Er genoss den wunderschönen Anblick still und ehrfürchtig. Das Einzige, was er bedauerte, war, dass man im diesigen Licht nichts mehr von Feuerland sah. Den nunmehr dritten Abend in Folge ging er die Hafenpromenade auf und ab, suchte sich dort ein halbwegs stilles Plätzchen, um einfach nur zu schauen oder zu zeichnen, eine Ahnung von der Kargheit und der Grenzenlosigkeit auf das Papier zu bannen, diese uneitle Natur festzuhalten, die ohne Liebreiz, Zärtlichkeit auskam und die ihm – so entblößt, wie sie sich zeigte – so ehrlich erschien. Es gab hier nur Himmel und Wasser, Sonne und Wolken, dann und wann einen fernen Schneeberg oder schroffe Klippen. Mehr nicht.
Er wusste nicht, was ihn in Valparaíso erwarten würde, aber er war sich sicher, dass keine Landschaft so an seiner Seele rühren konnte wie diese wildumtoste am Ende der Welt.
Balthasar war immer schon gern allein gewesen, doch es fiel ihm meist schwer, sich von Arthur loszumachen. Seit Emilias Streich vor ein paar Tagen war es allerdings mit dessen Laune dahin, und obendrein vergrub er sich schmollend im Zimmer ihrer Herberge. Nicht nur gegen Emilia, die ihm das alles angetan hatte, wetterte er – auch Balthasar beschimpfte er, wenn der sich wieder einmal nicht beherrschen konnte und laut losprustete. »Geh nur!«, schrie er ihm nach, wenn Balthasar vor seinen Verwünschungen aus dem gemeinsamen Zimmer floh. »Geh nur!«
Und Balthasar ging jedes Mal gerne und genoss die Sonnenuntergänge.
Eben spürte
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