Jenseits von Feuerland: Roman
hinterher schien ihre Kehle zu brennen.
Sie wollte das Glas abstellen, aber rasch füllte er es ein zweites Mal.
»Trink! Du bist ja ganz aufgeregt! Das wird dich beruhigen.«
»Aber …«
»Ach, ich bitte dich! Trink doch! Ich will, dass wir feiern …«
Sie trank, er schenkte ihr ein, sie trank wieder, und er küsste sie, sein Bart kitzelte, seine Lippen wurden fordernder, und wieder trank sie, der Schwindel verstärkte sich. Nun spürte sie seinen Bart nicht länger. Wie taub war ihr Gesicht, während es in der Kehle weiterhin brannte, sich ihr Magen plötzlich schmerzhaft zusammenzog. In ihrem Mund schmeckte es nicht länger süß, sondern gallig, und als sie den üblen Geschmack zu schlucken versuchte, musste sie würgen. Sie geriet in Panik. Was, wenn sie sich übergeben musste? Vor Jerónimos Augen? Sie, das liebliche Geschöpf, das er Margarita nannte und das er heiraten wollte?
Sie brauchte frische Luft, unbedingt und sofort, sie wollte hektisch aufspringen. Doch seine Hand hielt sie fest und drückte sie zurück. Sie hörte nicht, was er sagte, fühlte nur, wie sie im nächsten Augenblick nicht länger auf dem Bett saß, sondern darauf lag. Doch es schien nicht stillzustehen, sondern drehte sich, nein, schwankte vielmehr wie die Schaluppe von Pedro el Ballenero. Ihr Magen verkrampfte sich noch mehr, Speichel trat über ihre Mundwinkel, und sie war zu kraftlos, die Hand zu heben und ihn wegzuwischen.
»Jerónimo …«
War er noch an ihrer Seite? Streichelte er sie, küsste er sie?
Das Gefühl kehrte in ihre Haut zurück, doch dieses Kribbeln war nicht angenehm, eher so, als würden Ameisen darüber laufen. Sie öffnete die Augen, schloss sie, öffnete sie wieder.
»Jerónimo …«
Sein Bild schien zu verschwimmen; kurz war sein Gesicht unendlich weit weg, dann, als er sich wieder über sie beugte, plötzlich riesengroß. Sie presste ihren Kopf tief ins Kissen.
»Kleine Margarita«, sagte er, »kleine Margarita.«
Ja, so nannte er sie, so hatte er sie immer genannt. Doch es war nicht seine Stimme, mit der er sprach. Nicht zärtlich klang sie, nicht freudig erregt, samtig und verführerisch, sondern so hart, kalt, verächtlich. Und dann lachte er, lachte laut und durchdringend, und es klang so, als würde Emilia in der Küche Blechnäpfe übereinanderstapeln.
»Jerónimo …«
Abermals versuchte sie, sich zu erheben, aber ihre Glieder waren so schwer, und das Bett drehte sich in einem fort. Er hörte zu lachen auf, sagte wieder etwas, doch sie verstand ihn nicht. Seine Stimme kam wie durch einen langen, schwarzen Tunnel, und dann war da plötzlich noch eine andere Stimme.
»Nun, ist sie so weit?«
Schritte. Sie hörte Schritte, die näher kamen.
Aus Jerónimos Gesicht schienen zwei zu werden … seines und das eines Fremden … wobei dieser andere Mann nicht wirklich ein Fremder war …
»Jeró…«
Sein Name blieb ihr im Hals stecken.
»Es ging alles viel leichter, als ich dachte. Sie ist so strohdumm.« Wieder klang Jerónimos Stimme nicht samtig, sondern blechern.
»Sie ist ja auch bloß eine Rothaut.«
Ihr ganzer Körper war erstarrt, dennoch spürte sie die Hände – Hände, die über ihre Haare fuhren, über ihr Gesicht, über ihre Kehle, selbst über ihre Brust. Sie wollte schreien, aber es kam kein Laut über ihre Lippen. Sie mühte sich ab, die Hände wegzuschlagen, aber traf sie nicht, weil sich das Bett immer schneller zu drehen schien.
Esteban. Über sie gebeugt stand Esteban Ayarza. Wie aus dem Nichts war er aufgetaucht.
»Nein … nein!« Endlich konnte sie etwas sagen, wenn auch nicht lauter als ein Wimmern. »Bitte nicht … lass mich in Ruhe! Jerónimo, hilf mir!«
Und wieder ertönte sein Gelächter, so schrill, dass ihre Ohren zu platzen schienen. Auch als der Laut abriss, verfolgte er sie weiter, würde er sie ihr Leben lang verfolgen, einem immerwährenden Echo gleich, das wie ein Fluch an ihr klebte.
Esteban beugte sich noch tiefer über sie, sie spürte seinen heißen, nach Fisch stinkenden Atem.
»Wer soll sie zuerst haben? Wollen wir Holzstäbe ziehen?«
»Ich lass dir gerne den Vortritt«, erwiderte Jerónimo.
»Nein, bitte … du willst mich doch heiraten … Jerónimo.« Ihre Zunge war so groß, nahezu riesig. Sie konnte sie kaum bewegen.
»Denkst du tatsächlich, dass ich eine Rothaut heirate?«, spottete er. »Eine, die obendrein nach Bratenfett stinkt?«
Sein Gesicht geriet nun etwas klarer. Sie sah, wie seine graublauen Augen sie
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